Dokument wird geladen
KVJS Aktuell 02/23 Habila Barrierefreie Laufrunde: Eine Meile für Inklusion Seite 8 Soziales Im Spannungsfeld zwischen Gesetz und Praxis Seite 10 Integration Austausch mit dem Sonderbeauftragten der Bundesregierung Seite 18 Jugend LJHA: Komplexe Fragen erfordern schnelle Antworten Seite 26
Impressum KVJS Aktuell Mai 2023 Herausgeber: Kommunalverband für Jugend und Soziales Baden-Württemberg Öffentlichkeitsarbeit Lindenspürstraße 39 70176 Stuttgart www.kvjs.de V.i.S.d.P.: Nicole Henninger Projektmanagement: Monika Kleusch Redaktion: Julia Holzwarth, Monika Kleusch, Ulrike von Siegroth Mit Beiträgen von: Antje Dietz, Klaus Günthner, Larissa Straub Titelfoto: Habila Layout: www.mees-zacke.de Bestellungen und Adressänderungen: Telefon 0711 6375-208, publikationen@kvjs.de Druck: Hausdruckerei KVJS Redaktioneller Hinweis: Wir bitten um Verständnis, dass aus Gründen der Lesbarkeit auf eine durch- gängige Nennung der weiblichen und männlichen Bezeichnungen verzichtet wird. Selbstverständlich beziehen sich die Texte in gleicher Weise auf Frauen, Männer und Diverse. 2 KVJS Aktuell 2/2023
Inhalt 4 Überzeugender Auftritt an der PH Ludwigsburg 5 Wissenschaftliche Studienarbeit verknüpft Theorie mit Praxis 5 Studieren mit dem KVJS als Praxispartner 6 Mit bunten Kissen-Unikaten auf Erfolgskurs 8 Eine Meile für Inklusion Im Spannungsfeld zwischen Gesetz und Praxis 10 11 Hilfe zur Pflege – die aktuellen Zahlen liegen vor 12 Eingliederungshilfe: Neue Wege erproben 13 Besser planen mit Pflegekennzahlen 14 15 Interview mit einem ehrenamtlichen Wohnberater Internationaler Besuch in der Musterwohnung des KVJS 16 Wie Klöber Sitzmöbel zu einem geschätzten Mitarbeiter kam 18 Austausch mit dem Sonderbeauftragten der Bundesregierung 20 Markthalle Reichenau: Lokal, regional 22 Wie man erfolgreich einen Job schnitzen kann 24 NEU: Digitale Jobassistenz per InA.Coach-App 25 Jugendamtsleitungen treffen sich zur Jahrestagung 26 Landesjugendhilfeausschuss (LJHA) tagt zu gegenwärtigen Herausforderungen 27 FASD geht alle an: Regionalfachtage leisten Aufklärung 28 Regionaler Fachtag zur Schulsozialarbeit 28 Kurzzeitpflege: Perspektiven in Baden-Württemberg 30 Neu erschienen KVJS HABILA SOZIALES INTEGRATION JUGEND FORSCHUNG NEU ERSCHIENEN 2/2023 KVJS Aktuell 3
KVJS Die Pädagogische Hochschule in Ludwigsburg hat rund 6.000 Studierende. Foto: © PH Ludwigsburg Überzeugender Auftritt an der PH Ludwigsburg Gemeinsamer Vortrag von MPD und Referat Teilhabe und Soziales Welche Wünsche und Bedürfnisse haben Menschen mit Behinderungen? Wie lassen sich ihre Bedarfe feststellen? Und was macht eigentlich der KVJS? Dafür interessierten sich Studierende der Pädagogischen Hochschule (PH) Ludwigsburg. Dr. Monika Spannenkrebs, Leiterin des Medizi- nisch-Pädagogischen Dienstes (MPD), und Hei- drun Meyer, stellvertretende Leiterin des Referats Teilhabe und Soziales, waren Ende Januar als Referentinnen an der PH Ludwigsburg eingela- den. Das Thema ihres Gastvortrags: „Individuelle Teilhabe für Menschen mit Behinderungen – Über die Wünsche und Bedürfnisse zur Feststellung der Bedarfe und die erforderlichen Leistungen der Ein- gliederungshilfe“. Die beiden Expertinnen stellten die Aufgaben des KVJS im Allgemeinen und des MPD sowie des Dezernats Soziales im Besonderen vor. „Das Seminar richtete sich an Studierende des Masterstudiengangs Soziale Arbeit sowie des Masterstudiengangs Lehramt Sonderpädagogik, Förderschwerpunkt geistige Entwicklung“, erklärt Heidrun Meyer. Die ernüchternde Erkenntnis: „Der KVJS mit seinen Aufgaben war bei den Studieren- den bis dahin im Detail nicht bekannt“, so Span- nenkrebs und Meyer übereinstimmend. Neuland für die Studierenden Die beiden Fachfrauen nutzten die zwei Stun- den ihres Vortrags, um den Studierenden einen Einblick in den Verband zu geben und vertieft Themen rund um das BTHG anzusprechen. Ihre Vorstellung des Gesamtplanverfahrens von der Bedarfsermittlung zur Leistung stieß auf reges Interesse bei den Nachwuchs-Fachkräften. „Es gab viele interessierte Nachfragen zu den Aufgaben des KVJS, aber auch zu einzelfallbezogenen The- men rund um die Bedarfsermittlung“, freute sich Monika Spannenkrebs. Der Gastvortrag im Rahmen des Seminars der Hochschule: „Über Wünsche, Bedürfnisse und Bedarfe: (Erwachsene) Menschen mit Behinde- rungen im Netz der Eingliederungshilfe“ kam so gut an, dass eine Wiederholung des Vortrags gewünscht wurde – gerne auch mit weiteren Bei- spielen aus der Praxis. Heidrun Meyer und Monika Spannenkrebs werden jedenfalls den Gesprächs- faden mit der Hochschule nicht abreißen lassen. „Der Kontakt zu Studierenden ist ein sehr guter Weg, um Inhalte zu vermitteln und gleichzeitig jungen Menschen den KVJS als mögliches zukünf- tiges Betätigungsfeld vorzustellen“, so das Resü- mee der beiden Referentinnen. 4 KVJS Aktuell Monika Kleusch 2/2023
KVJS Wissenschaftliche Studienarbeit verknüpft Theorie mit Praxis Marcel Ruß, Mitarbeiter im Technischen Bera- tungsdienst des KVJS-Integrationsamtes, studiert seit Oktober 2022 berufsbegleitend Sozialpla- nung am Center of Advanced Studies der Dualen Hochschule Baden-Württemberg. Der KVJS fun- giert dabei als sein dualer Praxispartner: Aktuell nutzt Ruß seine Studienarbeit im Fach empirische Sozialforschung dazu, eine Strukturerhebung unter Wohnberatungsstellen durchzuführen. Sie soll einen Überblick über deren Strukturen und Arbeitsweisen geben, um Bedarfe für eine mögli- che Weiterentwicklung ableiten zu können. „Ich freue mich über die Möglichkeit, die Stu- dieninhalte mit der Praxis zu verbinden und an aktuellen Fragestellungen des KVJS mitzuwir- ken“, so Marcel Ruß. In Zusammenarbeit mit dem KVJS-Referat Pflege und Alter führt er derzeit eine selbst entwickelte Online-Umfrage durch. „Der KVJS als Praxispartner wird von den Ergebnissen der Umfrage profitieren“, meint die stellvertre- tende Referatsleiterin Lina Wallus, „denn die Stu- dienarbeit von Herrn Ruß leistet einen wertvollen Beitrag zum Anliegen des KVJS, Wohnberatung in Baden-Württemberg weiterzuentwickeln“. Andreas Reuter Stellvertretende Referatsleiterin Lina Wallus und Marcel Ruß sind gespannt auf die Ergebnisse. Das Titelblatt steht schon mal. Foto: © Andreas Reuter Studieren mit dem KVJS als Praxispartner Der KVJS ist in diesem Jahr erstmalig dualer Partner des Bachelor-Studiengangs Dienstleis- tungsmanagement/Nonprofit-Organisationen, Verbände und Stiftungen der DHBW Stuttgart. Kern des Studiums bildet die wissenschaftlich fundierte, aber gleichzeitig praxisnahe Vermitt- lung betriebswirtschaftlicher Kenntnisse sowie Einblicke in die Grundlagen und Besonderheiten des Managements von Non-Profit-Organisationen. Nach Abschluss des Studiums können die Stu- dierenden beim Verband vielfältig eingesetzt werden und rasch verantwortungsvolle Aufga- ben übernehmen. Zudem ist der KVJS Praxispart- ner für den Bachelor-Studiengang „Gehobener Verwaltungsdienst – Public Management“ und bietet sowohl die Möglichkeit zum halbjährigen Einführungspraktikum als auch für die Praxispha- sen während des Studiums. Weitere Informationen auf der Webseite des KVJS: www.kvjs.de/der-kvjs/karriere/studenten 2/2023 Larissa Straub KVJS Aktuell 5
Habila Made by Sarah Mit bunten Kissen-Unikaten auf Erfolgskurs Sarah Blankenhorn arbeitet in der Habila-Werkstatt in Laichingen. Sie hat sich auf die Herstellung von Deko-Kissen spezialisiert. Ihre Unikate vertreibt die Werkstatt inzwischen unter einem eigenen Label. Sarah Blankenhorn inmitten ihrer bunten Kissen, die sie in der Habila-Werkstatt Laichingen fertigt: www.habila.de/arbeit-und-qualifizierung/alb-donau-kreis/anfahrt-kontakt/ 6 KVJS Aktuell 2/2023
Habila 40 auf 40 Zentimeter groß sind die Kissen. Das ist aber auch schon beinahe das Einzige, was sie gemeinsam haben. Denn jedes der Kissen ist ein Unikat zur Dekoration von Sofas, Sesseln, Betten oder anderer Möbel. Die Werkstatt der Habila in Laichingen hat die Produktion solcher Kissen aufgenommen, als sie große Stoffmengen gespendet bekam. Andere Näharbeiten hatte die Werkstatt schon früher übernommen. Und dann kam Sarah Blankenhorn. Wegen einer körperlichen Beeinträchtigung und einer Lern- schwäche besuchte sie nach ihrem Hauptschul- abschluss und einer Ausbildung zur Fachprakti- kerin Hauswirtschaft den Berufsbildungsbereich der Habila-Werkstatt am Tannenhof in Ulm. Dort machte sie auf einer Lerninsel auch Bekannt- schaft mit der Arbeitsgruppe Nähen und Stanzen. In der Habila-Werkstatt werden unter anderem Lenkradabdeckungen für Busse genäht. Sarah Blankenhorn wechselte in den Berufsbil- dungsbereich nach Laichingen, woher sie auch stammt. Als sie vom Berufsbildungsbereich in den Arbeitsbereich überging, war sie auch dort im Bereich Montage und Nähen tätig. Unterstützt von einer Mitarbeiterin eignete sie sich dort weitere Fertigkeiten im Umgang mit Textilmate- rial an. Die filigrane Arbeit an den Deko-Kissen erfordert nicht nur Fingerfertigkeit, sondern auch Ausdauer und Konzentration – alles Fähigkeiten, die Sarah Blankenhorn durch Üben und Anlei- tung immer weiter ausbaute. Immer besser wurden ihre Ergebnisse an der Nähmaschine. Zuschneiden, Bügeln und Nähen der Einzelstücke – alle Arbeitsschritte beherrschte sie irgendwann. Heute ist jedes Kissen ein von ihr designtes und hergestelltes Einzelstück. Dafür wurde in der Werkstatt ein eigenes Label geschaffen: „Made by Sarah“ heißt es und ist neben dem typischen Reißverschluss das Markenzeichen, das an jedem Kissen ange- bracht ist. Ein gutes Auge und eine ruhige Hand: Sarah Blankenhorn an der Nähmaschine. Fotos: © Habila Eigenes Label für die Designerin Zunächst wurden die Kissen auf dem Laichinger Markt als eines der werkstatteigenen Produkte verkauft. Inzwischen sind sie auch in Laichinger Geschäften im Angebot. Sarah Blankenhorn arbei- tet inzwischen sehr konzentriert und ausdauernd. Auch wenn ihre körperliche Verfassung ihr manch- mal Grenzen setzt, ist der Platz an der Nähmaschine für sie ein Wohlfühl-Ort. Ihre ruhige und ausgeglichene Art macht die 28-Jährige zu einer beliebten Kollegin. Sie hat inzwischen auch gelernt, sich für ihre eigenen, aber auch für die Belange anderer einzusetzen. Gerade für die Frauen der Werkstatt hat sie immer ein offenes Ohr und organisiert für sie kleine Veranstal- tungen und Vorträge. Seit einem Jahr ist sie auch Frauenbeauftragte der Werkstatt in Laichingen. Antje Dietz 2/2023 KVJS Aktuell 7
Habila Eine Meile für Inklusion Laufend Begegnung fördern auf der „Einstein Meile“ Eine barrierefreie Laufrunde, die symbolisch soziale Einrichtungen miteinander verbin- det und zum Austausch einlädt, gibt es in Ulm-Wiblingen. Die „Einstein-Meile“ ist ein Resultat eines städtischen Konzepts, an dessen Umsetzung auch die Habila beteiligt ist. Anfang 2020 fiel in Ulm der Startschuss für eine neue Kooperation: Sogenannte Teilhabeteams finden sich seither zu regelmäßigen Treffen zusammen. Zu deren festen Mitgliedern gehören Vertreterinnen und Ver- treter der Stadt Ulm, der Eingliederungshilfe-Einrich- tungen im jeweiligen Sozialraum und Menschen mit Behinderung, die dort leben. Für Sozialraumorientierung Fünf Sozialräume hat die Stadt Ulm definiert und ein Fachkonzept zur Sozialraumorientierung in der Eingliederungshilfe erstellt. Leistungserbringer im Bereich der Eingliederungshilfe konnten sich um eine Kooperationsträgerschaft für die einzelnen Ulmer Sozialräume bewerben. Der Tannenhof Ulm erhielt zusammen mit dem Deutschen Roten Kreuz als Kooperationspartner die Zuschläge für die Sozialräume Ulm-Wiblingen und Ulm-Mitte- Ost. Die damit verbundene Aufgabenstellung lautet, die Sozialräume inklusiv zu gestalten. Das städ- tische Fachkonzept der Sozialraumorientierung dient dabei als Basis für die Weiterentwicklung der Eingliederungshilfe vor dem Hintergrund des Bundesteilhabegesetzes. Ein Element dabei sind individuelle Fallberatungen aus dem Bereich der Eingliederungshilfe, anhand derer passgenaue Leistungen entwickelt und umge- setzt werden können, die sich am Willen und an den Stärken von Menschen mit Behinde- rung orientieren. Darüber hinaus gehört aber auch die soge- nannte fallunspezifische Arbeit zu den 8 KVJS Aktuell 2/2023
Habila Auch das Rabenhof- Laufteam „t-runners“ nutzt die inklusive Einstein-Meile als Trainingsstrecke für die Teilnahme am Ulmer Marathon. Fotos: © Habila Aufgaben eines Teilhabeteams. Hierfür nehmen dessen Mitglieder die Potenziale des Stadtteils und dessen Ressourcen in den Blick. Nach der Analyse sollen in einem weiteren Schritt zum Quartier passende innovative Projekte ins Leben gerufen werden, um gemeinsam mit Menschen mit Behinderung ergänzende Hilfebausteine für den Sozialraum zu entwickeln und auszubauen. Zehntelmarathon für den Anfang Ein Ergebnis solcher Arbeit ist die „Einsteinmeile“. Finanziert von der Stadt Ulm und umgesetzt von der Habila und dem Sportverein TV Wiblingen verweisen mehr als 30 Schilder auf die Strecke entlang des Wiblinger Rings. Mit 4,219 Kilometern beträgt die Streckenlänge exakt ein Zehntel der klassischen Marathon-Distanz. Dies ist ein Verweis auf den stets im Herbst stattfindenden Einstein- Marathon in Ulm. Die Einsteinmeile soll laufbe- geisterte Menschen auch dazu motivieren, sich für eine Teilnahme an den Laufstrecken bei dieser Veranstaltung fit zu machen. Vor allem aber soll die ausgeschilderte Runde dazu beitragen, den Sozialraum Wiblingen für Menschen mit einem Assistenzbedarf weiterzuent- wickeln. Die Idee besteht darin, dass sich Men- schen mit und ohne Behinderung beim Laufen der Einsteinmeile begegnen und in Austausch kommen. Dafür verbindet die barrierefreie Strecke symbolisch soziale Einrichtungen, Schulen, Quar- tierstreffs und andere Anlaufstellen. An der Strecke liegende Firmen, Vereine und Schulen sollen zukünftig als Sponsoren und Kooperationspartner für das Projekt gewon- nen werden. Ehrensache, dass die Laufgruppe t-runners des Tannenhofs bereits auf der neu ausgeschilderten Strecke trainiert. 2/2023 Klaus Günthner KVJS Aktuell 9
Soziales Im Spannungsfeld zwischen Gesetz und Praxis Landesweite Tagung nimmt neues Betreuungsrecht unter die Lupe Die zum 1. Januar 2023 in Kraft getretene Reform des Betreuungsrechts soll die Auto- nomie und Selbstbestimmung unterstützungsbedürftiger Menschen stärken. Soweit die Theorie – doch wie sieht die Umsetzung in der Praxis aus? KVJS-Verbandsdirektorin Kristin Schwarz heißt die Teilnehmer im Tagungszentrum Gültstein willkommen. Mit dieser Frage befassten sich Ende März 2023 zahlreiche Akteure. Über 140 rechtliche Betreuer, institutionelle Vertreter sowie Fachleute aus Politik, Medizin und Wissenschaft nutzten den Betreu- ungsgerichtstag (BGT) im KVJS-Tagungszentrum in Gültstein für einen intensiven Austausch. Die Ver- anstaltung stellte das Spannungsfeld freier Wille und Selbstbestimmung vulnerabler Personen con- tra Lebenswirklichkeit in den Mittelpunkt: Profes- sor Andreas Kruse vom Gerontologischen Institut der Universität Heidelberg und Professorin Annette Riedel von der Hochschule Esslingen beleuchte- ten die Thematik in der Pflegeaus psychologisch- gerontologischer sowie aus ethischer Sicht. O F N I 2019 wurden die beiden Traditions- veranstaltungen Badischer BGT und Württembergischer BGT zu einem gemeinsamen Fachtag zusammenge- fasst. Der Betreuungsgerichtstag Baden- Württemberg findet alle zwei Jahre statt. Der KVJS wirkt in seiner Funktion als überörtliche Betreuungsbehörde in der Vorbereitungsgruppe mit, die die Veranstaltung organisatorisch und inhaltlich gestaltet. Neue Herausforderungen Die Betreuungsrechtsreform bringt für alle Akteure in der rechtlichen Betreuung zusätzliche Aufgaben mit sich. In Arbeitsgruppen ging es um konkrete Erfahrungen mit den neuen Heraus- forderungen in Betreuungsbehörden, -vereinen und -gerichten sowie im Rahmen von beruflichen Betreuungen. Eine AG beschäftigte sich zudem mit der Frage, inwieweit sich beim Bundesteilhabe- gesetz Änderungen durch die Reform des Betreu- ungsrechts ergeben. 10 KVJS Aktuell 2/2023
Soziales Ziele gemeinsam erreichen Die Fachleute richteten den Blick auch auf die Ver- netzung unter den Beteiligten. Einigkeit herrschte darüber, dass eine gute Zusammenarbeit die zentrale Basis ist, um die Reform erfolgreich umsetzen zu können. KVJS-Verbandsdirektorin Kristin Schwarz appellierte in ihrer Begrüßungsan- sprache: „Nur miteinander lässt sich das Ziel nach mehr Selbstbestimmung der unterstützungs- bedürftigen Menschen erreichen. Gleichzeitig verbessert eine gute Vernetzung die Qualität des Betreuungsrechts im Allgemeinen. Daran müssen wir festhalten! Dies erfordert auch eine konstante kritische Auseinandersetzung mit der eigenen Organisationskultur und Arbeitsweise.“ Im Mittel- punkt einer hochrangig besetzten Podiumsdis- kussion mit Justizministerin Marion Gentges und weiteren Experten standen erste Erfahrungswerte der Reform für alle Beteiligten. Einen abschließen- den Blick in die Zukunft wagte Professor Tobias Fröschle von der Universität Siegen mit der Frage, wie es nach der Reform weitergehen kann. Julia Holzwarth Mit einem Grußwort läutet Justizministerin Marion Gentges den zweiten Veranstaltungstag ein. Fotos: © Carmen Kreß Hilfe zur Pflege – die aktuellen Zahlen liegen vor Die Kosten für die Pflege steigen. Gründe hierfür sind unter anderem die wachsende Zahl hochalt- riger Menschen und eine bessere tarifliche Bezah- lung der Pflegekräfte. Der KVJS, der jährlich über aktuelle Zahlen rund um die Hilfe zur Pflege berichtet, hat die Auswer- tung für 2021 vorgelegt. Daraus wird ersichtlich, dass in den letzten Jahren der Gesamtnetto- aufwand für die Hilfe zur Pflege kontinuierlich angestiegen ist, zuletzt besonders deutlich. Mit anderen Worten: Der Nettoaufwand für Leistungen an vollstationärer, teilstationärer und ambulanter Hilfe zur Pflege belief sich 2021 auf 604,9 Millionen Euro. Zwei Jahre zuvor lag dieser noch bei 467,4 Millionen. Dies bedeutet einen Zuwachs von 29,5 Prozent. Neben dem finanziellen Aufwand erfasst die Statistik auch die Zahl der Leistungsempfän- ger. Diese hat ebenfalls zugenommen: So sind in Baden-Württemberg konkret 36.049 Personen auf Hilfe zur Pflege angewiesen. Davon erhalten 29.995 Personen Leistungen der stationären und 6.054 Personen Leistungen der ambulanten Pflege. Die ausführliche Berichterstattung zu den erhobe- nen Zahlen finden Sie auf der Website des KVJS – anschauliche Diagramme und detaillierte Tabellen inklusive. Werfen Sie einen Blick hinein unter: www.kvjs.de/soziales/statistik-steuerungs- unterstuetzung/hilfe-zur-pflege 2/2023 Ulrike von Siegroth KVJS Aktuell 11
Soziales Eingliederungshilfe: Neue Wege erproben KVJS fördert drei Modellprojekte mit Sozialraumorientierung Das Bundesteilhabegesetz sieht vor, dass Leistungen der Eingliederungshilfe sozial- raumorientiert erbracht werden. Die Stadt Stuttgart, der Schwarzwald-Baar-Kreis und der Landkreis Lörrach wollen in eigenen Modellprojekten herausfinden, wie die praktische Umsetzung gelingen kann. Packen‘s an: Stadt Stuttgart, Schwarzwald-Baar-Kreis und Landkreis Lörrach mit Unterstützung des KVJS und der wissenschaftlichen Begleitung. Foto: © Nicole Henninger Finanziell gefördert und wissenschaftlich begleitet werden die Kreise im Rahmen der Neue Bausteine- Programmreihe des KVJS. Die drei Modellprojekte laufen bis Ende 2025. Übergeordnetes Ziel ist es, die Sozialraumorientierung in der Eingliederungs- hilfe zu stärken sowie bereits vorhandene Ansätze zu bündeln und an die bisherigen Entwicklungen zur Inklusion im Sozialraum anzuknüpfen. Kreise sind startklar Bei einem Auftakttreffen am 8. März beim KVJS in Stuttgart wurde der Beginn der Neue Bausteine- Reihe offiziell eingeläutet. Die Kreise nutzten die Gelegenheit, sich mit ihren Mitstreitern und der wissenschaftlichen Begleitung über Projektziele und die ersten Schritte auszutauschen. Die Stadt Stuttgart plant, ihr Teilhabemanagement in einem 12 KVJS Aktuell 2/2023
Soziales Pilotprojekt sozialräumlich aufzustellen. Zudem soll ein Hilfe-Mix mit Unterstützungsangeboten erschlossen werden, der sozialräumliche Ressour- cen für Menschen mit wesentlicher Behinderung einbezieht. Das Projekt des Schwarzwald-Baar-Kreises setzt sei- nen Schwerpunkt auf den Aufbau und die Entwick- lung eines inklusiven, sozialräumlichen Beratungs- und Sozialdienstes in St. Georgen. Die Vision: ein gemeinsames Verständnis für Sozialraumorientie- rung entwickeln und diese ganzheitlich systemisch umsetzen. Weiterentwicklung gefördert Die Projektverantwortlichen des Landkreises Lör- rach betonten, dass die Möglichkeit zur Teilnahme an der Modellförderung für sie zum richtigen Zeit- punkt gekommen sei. Mithilfe des Projekts soll die Sozialraumorientierung in der Eingliederungshilfe unter Einbezug aller Akteure landkreisweit weiter vorangetrieben werden. Die bereits vorhandenen guten Erfahrungen und Ansätze des Kreises aus der Kinder- und Jugendhilfe bilden hierfür eine wichtige Grundlage. Die wissenschaftliche Begleitung der Kreise erfolgt durch das Institut für angewandte Sozialwissen- schaften der Dualen Hochschule Baden-Württem- berg in Stuttgart. Über die Neuen Bausteine Neue Wege erproben und die örtlichen Träger bei der qualitativen Weiterentwicklung der Angebote mit wissenschaftlicher Begleitung unterstützen – das ist das Ziel der KVJS-Förderreihe. Bereits seit 2008 unterstützt der Verband Modellprojekte in der Eingliederungshilfe. Bausteine in der Wohnungsnot- fallhilfe fördert der KVJS seit nunmehr zehn Jahren. Mehr Infos erhalten Sie hier: www.kvjs.de/soziales/ projekte/programmreihe-neue-bausteine Julia Holzwarth Besser planen mit Pflegekennzahlen Regionale Pflegekennzahlen sind ein wichtiges Werkzeug für Kreise und Kommunen, um die Situation in der Altenpflege abzubilden und neue Angebote entwickeln zu können. Solche Daten fehlen jedoch häufig, was die Analyse der regiona- len Versorgungslandschaft erschwert. Ein vom Land gefördertes Projekt geht diese Problematik jetzt an. Ausgangsbasis bilden die Ergebnisse aus dem Bun- desmodellprojekt SAHRA, das einen Datenpool für Pflegekennzahlen entwickelt hat. Diese Ergebnisse fließen in das aktuelle Projekt ein. Es nimmt die Anforderungen gezielt für Baden-Württemberg in den Blick. Ziel ist, Sozialplanern neben Pflegekenn- zahlen auch grafische Analysewerkzeuge sowie Infos zu Pflegeplätzen bereitzustellen. Es soll eine niederschwellige Webanwendung ein- gerichtet werden. Wann eine erste Arbeitsversion der Plattform für die Kreise zur Verfügung steht, ist derzeit noch offen. Landkreistag, Städtetag, Gemeindetag und KVJS sind im Projektbeirat ver- treten. Vorschläge über bislang nicht verfügbare, aber wünschenswerte Kennzahlen hat die kom- munale Familie unter Beteiligung der Stadt- und Landkreise bereits eingebracht. Das vom Ministerium für Soziales, Gesundheit und Integration geförderte Projekt „Digitalgestützte Pflegestrukturanalyse in Sozialraum und Quartier in Baden-Württemberg“ startete im Jahr 2022. Trä- ger des Projekts ist die Firma „data experts GmbH“ in Kooperation mit der AOK Baden-Württemberg. Julia Holzwarth 2/2023 KVJS Aktuell 13
Soziales „Wenn’s knifflig wird, bin ich in meinem Element“ Interview mit einem ehrenamtlichen Wohnberater Der ehemalige Architekt Karl Hollnberger engagiert sich mit großer Leidenschaft als ehrenamtlicher Wohnberater. Führungen durch die barrierefreie Musterwohnung des KVJS gehören zu seinen vielfältigen Aufgaben. Seit neun Jahren unterstützt und berät Karl Hollnberger Menschen, die ihren Wohnraum alters- oder behinderungsbedingt umrüsten wollen. Foto: © Julia Holzwarth Herr Hollnberger, wie sind Sie zur Wohnberatung gekommen? Als ich im Ruhestand war, stand ich vor der Frage: Was mache ich nun mit meinem tech- nischen Wissen? Das brauche ich schließlich nicht zum Rasenmähen! Dann sah ich in der Zeitung eine Anzeige, dass das DRK Stutt- gart ehrenamtliche Wohnberater sucht. Bei der Info-Veranstaltung hat sich gezeigt, dass meine Fertigkeiten hier sinnvoll eingesetzt werden könnten. Ich fragte die damaligen Kol- leginnen der Wohnberatungsstelle zwar noch, ob ich nicht schon zu alt dafür sei. Als sie dann herzhaft lachten, war für mich die Sache klar. Wie haben Sie sich auf Ihr Ehrenamt vorbereitet? Ich habe die Grundschulung des DRK Stutt- gart durchlaufen und Hospitationen gemacht. Das war wichtig, um die verschiedenen Hilfsmittel kennenzulernen. Im baulichen Bereich bin ich durch meinen Beruf ja schon fit gewesen. Es hat sich im Laufe der Jahre dann so entwickelt, dass ich immer mehr für die schwierigen Wohnberatungen eingesetzt wurde. Also dort, wo sich abzeichnete, dass umfassende Umbaumaßnahmen bevorstehen. Welche Aufgaben haben Sie konkret? Einmal im Monat bieten ein Kollege und ich in der barrierefreien Musterwohnung des KVJS, der „Werkstatt Wohnen“, eine offene Sprech- stunde an. Wenn eine intensivere Beratung notwendig ist, stehe ich auch gerne für Son- derführungen bereit. Der andere Schwerpunkt ist die Beratung vor Ort. Ich fahre zu den Kunden im Stadtgebiet Stuttgart, um mir ein Bild von den körperli- chen Beeinträchtigungen sowie der Lebens- und Wohnsituation zu machen. Diese Infos sind wichtig für meinen Bericht. Darin schlage ich realistische Maßnahmen vor. Das hilft den Ratsuchenden sehr – zum Beispiel in der Kom- munikation mit Handwerkern, Baugenossen- 14 KVJS Aktuell 2/2023
Soziales schaften oder Behörden. Ich unterstütze auch bei der Schulung neuer Wohnberater und Aus- zubildenden für Sozialberufe und zeige ihnen die Musterwohnung mitsamt der Technik. Was bereitet Ihnen am meisten Freude? Wenn ich als Architekt gefordert werde und wenn’s knifflig wird – da bin ich in meinem Element. Die Anliegen der Menschen, die in die Sprechstunde kommen, haben sich mit der Zeit auch gewandelt. Früher ging es meist darum: Badewanne raus, Dusche rein. Jetzt kommen immer mehr Leute, die Grundrisse vom Eigentum mitbringen und meine Mei- nung zu den Plänen hören wollen. Da schlägt mein Architektenherz. Insgesamt nützt mir das Ehrenamt viel für meine grauen Zellen. Es hält jung und ich tue etwas Gutes für die Gesellschaft. Ich hoffe also, dass ich das noch einige Jahre machen kann. Sie möchten das Interview in voller Länge lesen und mehr über Wohnberatung erfahren? Dann schauen Sie in unser brandneues KVJS-Spezial „Wohnen ohne Barrieren“, abrufbar unter barrierefrei-wohnen.kvjs.de/publikationen Das Interview führte Julia Holzwarth Internationaler Besuch in der Musterwohnung des KVJS Von baulichen Lösungen bis hin zu praktischen Hilfsmitteln – die „Werkstatt Wohnen“ hat als barrierefreie Musterwohnung des KVJS einiges zu bieten, um den Alltag im Alter zu erleichtern. Davon konnte sich kürzlich internationaler Besuch aus dem tschechischen Brünn überzeugen. Die Gäste der Evangelischen Akademie für Sozialar- beit, einem langjährigen Kooperationspartner der Evangelischen Fachschule für Sozialpädagogik Stuttgart, erkundeten vor Ort allerhand Wissens- wertes rund um barrierefreies Wohnen. Ob ein höhenverstellbarer Spiegel, der erhöhte Toiletten- sitz mit Haltegriff oder ein Drehschemel für leich- teres Aufstehen – die Auszubildenden interessier- ten sich sehr für die vielfältigen Möglichkeiten zur individuellen Wohnungsanpassung. Die „Werkstatt Wohnen“, die wie eine gewöhnliche Wohnung aufgebaut ist, präsentiert eine Reihe an (technischen) Produkten, die das Leben in den eigenen vier Wänden nicht nur unterstützen, sondern auch sicherer machen. Sie möchten selbst mal einen Blick in die Räumlichkeiten werfen? Kein Problem. Die Musterwohnung kann jederzeit Auszubildende der Evangelischen Akademie für Sozialarbeit aus Brünn waren zu Besuch in der „Werkstatt Wohnen“, der barrierefreien Musterwohnung des KVJS in Stuttgart. Foto: © Monika Kleusch über einen virtuellen 360 Grad-Rundgang auf der Webseite besucht werden. Oder persönlich in Stuttgart: An jedem ersten Donnerstag im Monat findet von 16 Uhr bis 18 Uhr eine offene Sprech- stunde statt. Weitere Informationen gibt es unter: www.barrierefrei-wohnen.kvjs.de Ulrike von Siegroth 2/2023 KVJS Aktuell 15
Integration EAA: EINE Ansprechpartnerin ist Gold wert! Wie Klöber Sitzmöbel zu einem geschätzten Mitarbeiter kam Mit Hilfe der Einheitlichen Ansprechstelle für Arbeitgeber (EAA) konnte die Firma Klöber, Produzent hochwertiger Sitzmöbel in Owingen, einen neuen Mitarbeiter für ihre Feder- montage gewinnen. Wie, zeigt ein neuer Film des KVJS-Integrationsamts. Geschäftsführer Thomas Möller bringt es auf den Punkt: „Wenn mir morgen was passiert, kann es sein, dass ich auch ein Handikap habe.“ Für Möller ist die Beschäftigung von Mitarbeitern mit Behinderung eine Selbstverständlichkeit. So stieß denn auch das Angebot von Carina Duelli bei Klöber Sitzmöbel auf offene Ohren. Carina Duelli ist Fachberaterin der EAA beim Integrationsfachdienst (IFD) Bodensee-Ober- schwaben. Sie unterstützte das Unternehmen dabei, einen geeigneten Mitarbeiter mit Behin- derung für seine Federmontage zu finden. Außerdem klärte sie die Fördermöglichkeiten für den Arbeitgeber. „Wir hätten gar nicht gewusst, an welche Fachbehörde wir uns wenden sollen“, gibt Personalleiterin Susanne Riester in dem neuen Film aus der Reihe „Beschäftigung mit Handikap“ zu. „So ein einheitlicher Ansprech- partner ist für die Firmen eine wahnsinnige Erleichterung.“ Glücksfall für Klöber Der mit Hilfe der EAA-Fachberaterin gefundene neue Mitarbeiter Benjamin Schlewek erwies sich als Glücksfall – auch für ihn selbst. „Mein schöns- tes Erlebnis ist, hier zu arbeiten – auch mit den Kollegen“, beschreibt er. Bei seinem Einsatz in der Federmontage arbeitet Schlewek hoch motiviert und präzise. Sagt auch sein Kollege und Anlei- ter Stefan Buschle: „Er ist super zuverlässig, sehr sehr organisiert.“ Und er bringt frischen Wind ins Team: „Unheimlich toll, welche Begeisterung auf einmal da ist“, freut sich Geschäftsführer Möller. Legt Wert auf Nachhaltigkeit: Geschäftsführer Thomas Möller Kennt sich aus: Carina Duelli, Fachberaterin der EAA beim Integrationsfachdienst (IFD) Bodensee-Oberschwaben. 16 KVJS Aktuell 2/2023
Integration Einheitliche Ansprechstellen für Arbeitgeber Alles Wissenswerte zu den EAA Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Integra- tionsämter und Hauptfürsorgestellen (BIH) infor- miert hier ausführlich über die EAA www.bih.de/integrationsaemter/aufgaben-und- leistungen/einheitliche-ansprechstellen/ Hier finden Sie Ihre zuständige Einheitliche Ansprechstelle für Arbeitgeber in Baden-Würt- temberg: www.ifd-bw.de Kurzfilm Mitarbeiter mit Handikap – Selbstverständlich! Der Film aus der Reihe „Beschäftigung mit Handikap“ zeigt beispielhaft, wie die berufliche Teilhabe von Menschen mit Behinderung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt gelingen kann. Unternehmen werden dabei von Einheitlichen Ansprechstellen für Arbeitgeber (EAA) unter- stützt und beraten. Hier gehts zum Video: https://youtu.be/fueJHED7cuM (Mitarbeiter mit Handikap. Selbstverständlich! Beispiel Firma Klöber; Dauer: 4:26 Minuten) Benjamin Schlewek hat die richtige Federung der Bürostühle in der Hand. Fotos: © Uli Stöckle Als Ansprechpartnerin für alle Fragen zum Thema Behinderung und Beruf wird Carina Duelli auch weiter für Klöber da sein – sei es als Fach- beraterin der EAA oder des IFD. Denn bei Bedarf können beide Leistungen ineinander übergehen. Personalleiterin Riester weiß das zu schätzen: „Für uns ist Frau Duelli Gold wert!“ Monika Kleusch 2/2023 KVJS Aktuell 17
Integration EAA: So funktioniert´s in Baden-Württemberg Austausch mit dem Sonderbeauftragten der Bundesregierung Martin Weiland ist der Sonderbeauftragte zur Umsetzung der Einheitlichen Ansprech- stellen für Arbeitgeber (EAA) beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales. Im April informierte er sich über das Vorgehen in Baden-Württemberg. Alle Informationen zu Behinderung und Arbeit gebündelt bei einem Ansprechpartner: Das bekommen die Arbeitgeber bei den neu ein- geführten Einheitlichen Ansprechstellen. Sie informieren proaktiv oder auf Anfrage über Ausbildung, Einstellung, Berufsbegleitung und Beschäftigungssicherung von schwerbehinderten Menschen samt den verschiedenen Fördermög- lichkeiten. Wo die EAA angesiedelt sind, entscheidet jedes Bundesland selbst. Im April informierte sich der neu ernannte Sonderbeauftragte im Bundesminis- terium für Arbeit und Soziales zur Begleitung der Einführung der Einheitlichen Ansprechstellen für Arbeitgeber, Ministerialdirigent Martin Weiland, über die Vorgehensweise in Baden-Württemberg. EAA bei den IFD Hier hat sich das KVJS-Integrationsamt für die Integrationsfachdienste (IFD) als Träger der Ein- heitlichen Ansprechstellen für Arbeitgeber ent- schieden. Die IFD sind als kompetente Ansprech- Gemeinsam Netzwerke ausbauen mit der Deutschen Rentenversicherung, der Agentur für Arbeit und den Arbeitgeberverbänden. 18 KVJS Aktuell 2/2023
Integration partner zu allen Fragen der beruflichen Teilhabe vor Ort gut mit Arbeitgebern wie Rehabilitations- trägern vernetzt. Auf Einladung des KVJS-Integrationsamtes kamen als dessen wichtige Partner Vertreterinnen und Vertreter der Regionaldirektion der Bundesagen- tur für Arbeit, der Deutschen Rentenversicherung und der Arbeitgeberverbände, vertreten durch das Bildungswerk der Wirtschaft mit dem neuen Sonderbeauftragten zum Informations- und Aus- tauschtreffen im Tagungshaus Pforzheim Hohen- wart zusammen. Netzwerke weiter ausbauen Palette von wirksamen Unterstützungsmöglichkei- ten zur beruflichen Teilhabe, aber ein Grundprob- lem ist, dass diese immer noch zu wenig bekannt sind – vor allem bei kleineren Arbeitgebern. Um das zu ändern, wurde beim Bildungswerk der Wirtschaft eine „Kontakt- und Koordinie- rungsstelle EAA“ eingerichtet. Sie will über die Arbeitgeberverbände, Kammern von Handel und Gewerbe und Innungen deren Mitglieder für das Thema inklusive Beschäftigung sensibilisieren. Denn im Zuge des immer weiter zunehmenden Arbeitskräftemangels gewinnen Menschen mit Behinderungen als Mitarbeiter zunehmend an Attraktivität. Es wurde ein interessierter und interessanter Austausch. Im Mittelpunkt der Diskussion: Ausbau der Netzwerke zur beruflichen Teilhabe und Opti- mierung der Koordination. Rehabilitationsträger und KVJS-Integrationsamt haben zwar eine ganze EAA-Fachberaterinnen und Fachberater verschie- dener Integrationsfachdienste konnten auch einige erfolgreiche Beispiele aus der Praxis prä- sentieren – unter anderem mit einem neuen Film aus der Reihe „Beschäftigung mit Handikap“. Monika Kleusch Aufmerksamer Zuhörer und interessierter Fragensteller: Der neue Sonderbeauftragte zur Umsetzung der Einheitlichen Ansprechstellen für Arbeitgeber (rechts). Fotos: © Monika Kleusch 2/2023 KVJS Aktuell 19
Integration Markthalle Reichenau: Lokal, regional, inklusiv Inklusionsunternehmen Indigo Konstanz treibt neue Geschäftszweige Eine Markthalle mit Gemüse von der Reichenau und Wein vom Bodensee, ein Bistro mit Mittagstisch und Kuchentheke und seit Ostern noch ein E-Bike-Verleih: Direkt am Bahn- hof Reichenau hält die Inklusionsfirma Indigo ein vielfältiges Angebot bereit. Das nennt man wohl Abstimmung mit den Füßen: Vom Bahnsteig des Reichenauer Bahnhofs führt schnurgerade ein Trampelpfad in Richtung Markthalle. Drinnen lockt gleich am Eingang ein großes Modellsegelschiff mit der Aktionsware: bunten Produkten aus dem Gemüseparadies Rei- chenau. Die Gemüsegenossenschaft Reichenau e.G. ist Kooperationspartner des Inklusionsunter- nehmens Indigo, das die Markthalle betreibt. Neben Gemüse und Obst werden noch Essige, Öle, Käse, Eier, Teigwaren und Müsliprodukte regionaler Hersteller sowie verschiedene Weine und Spirituosen angeboten – nicht zu vergessen das hochwertige Sortiment an Bio-Backwaren für Brotzeit und Kuchenschlacht. Bezahlt wird an einer modernen automatischen Kasse, die alle Beschäftigten bedienen können. „Sozial, ökolo- gisch, ökonomisch“, fasst Geschäftsleiter Stefan Zimmermann das Geschäftsprinzip zusammen. Die Angebote zielen nicht nur auf lokale Kund- schaft ab, sondern auch auf die jährlich mehr als 10.000 Besucher der UNESCO-Welterbestätte Rei- chenau. Nach einem schönen Ausflug regionale Bodenseeprodukte einkaufen oder sich im Bistro stärken: Das kommt an. Den Trampelpfad haben sicher auch die Mittagsgäste mit ausgetreten, die ab zwölf Uhr im Bistro vor und in der Markthalle die Tische besetzen. Sie können zwischen einem Gericht mit und einem ohne Fleisch wählen, Salat und Nachtisch inklusive, oder sich von Kaffee und Kuchen ins Markthallenbistro locken lassen. 20 KVJS Aktuell 2/2023
Integration Ob Brotverkauf oder Gemüse schnippeln: Kathrin Weber und Lisa Steffens packen mit an. Fotos: © Monika Kleusch Hochwertige Produkte Derzeit zwölf Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter halten in der Markthalle Laden, Bistro und neu- erdings den Fahrradservice am Laufen. Manche haben eine Behinderung, andere nicht, so wie in einem Inklusionsunternehmen üblich. Mitten- drin: Lisa Steffens und Kathrin Weber. „Ich hätte nie erwartet, in der Küche zu arbeiten, sagt Lisa Steffens lachend. Sie ist unter anderem in der Schnippelküche aktiv, bereitet Nachtisch vor, arrangiert das Essen auf den Tabletts, die die Gäste dann an der Theke abholen. „Das Essen ist qualita- tiv hochwertig“, sagt sie stolz und freut sich, dass die Angestellten zum Mitarbeiterpreis auch Essen mitnehmen können. Kollegin Kathrin Weber hat schon Erfahrung im Einzelhandel: „Verkaufen liegt mir“, sagt die gelernte Gemüsegärtnerin. „Der Umgang mit den Kunden macht mir Spaß.“ Aber sie packt auch in der Spülküche oder an der Verkaufstheke mit ihrer verlockenden Auswahl von Brot, belegten Brötchen, Kuchen und Salaten mit an. Zum Thema Behinderung sagt sie: „Was ist schon normal? Jeder kann im Laufe des Lebens eine Krankheit oder einen Unfall haben.“ E-Bike-Verleih ab Mai Das neueste Rad im Getriebe des Inklusionsun- ternehmens ist der E-Bike-Verleih, der im Mai seinen Betrieb aufgenommen hat. „Besonders interessant ist der neue Service für die Gäste der Insel Reichenau, die die Insel und das Umland der Region mit einem Rad erkunden möchten“ erklärt Geschäftsleiter Stefan Zimmermann das jüngste Angebot. Tagsüber werden die Räder sichtbar für Radel-Interessenten im Außenbereich der Markthalle platziert, nachts sind sie im gegen- überliegenden ehemaligen Bahnhofsgebäude untergebracht. Alle Räder stammen aus dem Bestand des Indigo Service Fahrradvermietung, den die Inklusions- firma bereits seit zwölf Jahren erfolgreich in der Konstanzer Innenstadt betreibt. „Alle Räder sind hochwertig“, so Zimmermann. „Anfallende Reparaturen werden vom Indigo-eigenen Fahr- radservice zügig und in einwandfreier Qualität übernommen.“ Kurzum: Die Mitarbeiter und Mit- arbeiterinnen der Markthalle Reichenau sorgen dafür, dass Touristen wie Anwohner und Pendler ein attraktives Angebot für Leib und Seele in der beliebten Ferienregion vorfinden. Monika Kleusch O F N I Indigo https://indigo-konstanz.de ist eine Tochterfirma des Paritätischen und des Hilfsvereins für seelische Gesund- heit https://hilfsverein-konstanz.de/, die beide je einen ehrenamtlichen Geschäftsführer stellen. Das KVJS-Integrationsamt hat für die umfangreichen Investitionen im Geschäftsfeld „Markthalle Reichenau“ Mittel der Ausgleichsabgabe, unter Einbezug des Förderprogrammes „AlleImBetrieb“ bewilligt. Mehr Infos zu Inklusionsunternehmen hier: www.kvjs.de/behinderung-und- beruf/inklusionsbetriebe 2/2023 KVJS Aktuell 21
Integration Wie man erfolgreich einen Job schnitzen kann Gelungenes Jobcarving bei Faller Packaging „Den müssen Sie sich schnitzen!“ Wer kennt das nicht als ironische Formulierung für Wunschdenken? Aber Wünsche können wahr werden, wenn sich ein engagierter Arbeit- geber, eine kompetente Schwerbehindertenvertretung und motivierte Mitarbeiter gemeinsam ans Jobcarving machen. Wie bei Faller. „Von Jobcarving hatte ich mal in der Zeitschrift ZB gelesen“, sagt Rehm-Schmid über ihr Erfolgs- projekt. Das Konzept stammt aus den USA: für eine Person mit Behinderung wird ein Job pass- genau zurechtgeschnitzt (engl.: to carve). Dazu werden Fähigkeiten und Anforderungen genau erfasst und aufeinander abgestimmt. Bislang konnten zwei Kollegen von den Schnitzküns- ten der Schwerbehindertenvertreterin und der Unterstützung durch das KVJS-Integrationsamt profitieren. Vom Maschinenführer zum Ausbildungsverantwortlichen Dieter Hager hat 1999 als Maschinenführer bei Faller angefangen. Mit den Maschinen ist er heute noch auf Du und Du, ebenso wie mit den früheren Kollegen. Sein Fachwissen hilft ihm bei seiner neuen Aufgabe als Ausbildungsverant- wortlicher für die gewerblichen Azubis. Denn nach einem Schlaganfall und einer Nierenerkran- kung, wegen der er heute dreimal in der Woche zur Dialyse muss, war klar, dass eine berufliche Neuorientierung anstand. Bereits während seiner Zeit der Arbeitsunfä- higkeit setzte sich Dieter Hager mit Ute Rehm- Schmid in Verbindung. „Mein Wunsch war immer, wieder zu arbeiten“, erklärt er. Rehm-Schmid dazu: „Im Gespräch mit der Geschäftsleitung haben wir Wissen und Erfahrung in die Waag- schale geworfen und die Bereitschaft zur Verän- derung.“ Das überzeugte den Arbeitgeber. Engagiert und motiviert: So geht Jobcarving. Wenn Ute Rehm-Schmid in den Gebäuden von Fal- ler Packaging unterwegs ist, muss sie viele Grüße erwidern. „Manchmal habe ich den Eindruck, dass mich fast jeder kennt“, sagt sie lachend. Gut mög- lich. Schließlich arbeitet Rehm-Schmid schon seit 19 Jahren bei dem Schwarzwälder Unternehmen. Die August Faller GmbH & Co. KG stellt Faltschach- teln für die Pharmaindustrie her und liefert auch gleich die Beipackzettel und Klebeetiketten dazu. Angefangen hat Ute Rehm-Schmid als Medien- beraterin im Auftragsservice und später in der Druckvorstufe. Mittlerweile ist die Vertrauens- person schwerbehinderter Menschen zusätzlich Ansprechpartnerin für Themen in der Gesund- heitsfürsorge der Waldkircher Firma. 22 KVJS Aktuell 2/2023
Integration Neue Perspektive als Ausbilder. Verantwortet jetzt Qualitätssicherung und mehr. Fotos: © Monika Kleusch Also wurde betriebsintern nach behinderungs- gerechten Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten gesucht – und gefunden. „Ich wollte was Neues“, sagt Dieter Hager. Grundstein dafür war seine Qualifikation als Ausbilder nach Ausbildereig- nungsverordnung. Dazu wurde eine neue Teilzeit- stelle geschaffen und Dieter Hager über ein Jahr hinweg umfassend geschult. „Das war vollkomme- nes Neuland für mich“, sagt er über seine jetzige Funktion. „Aber ich habe Leute an meiner Seite, die mir enorm geholfen haben.“ Fähigkeiten im Fokus Auch Christian Schulz hat sich bei Faller Packaging beruflich umorientieren müssen. Leicht gefallen ist ihm das nach Jahren als Führungskraft nicht. Im Drei-Schicht-Betrieb war er Teamleiter mit 30 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Dann kam die Diagnose Parkinson. „Ich habe im Laufe der Jahre gemerkt: der Anzug der Führungskraft passt nicht mehr“, beschreibt er. Der stressige Job, auch wenn er ihm Spaß machte, wirkte sich negativ auf seine Gesundheit aus. Geholfen hat auch der Eingliederungszuschuss, den die Deutsche Rentenversicherung für sieben Monate zahlte. Danach gab es einen Beschäf- tigungssicherungszuschuss des KVJS-Integra- tionsamtes. Auch die notwendige Ausstattung des neugeschaffenen Arbeitsplatzes wurde vom Integrationsamt finanziell unterstützt. Als Ausbildungsverantwortlicher erstellt Hager nun die Pläne der Azubis, hat Prüfungsvorberei- tungen, Nachhilfe und Fortbildungen im Blick und ist in Kontakt mit den Berufsschulen. Außerdem organisiert er Messen und Börsen sowie Praktika. Die Azubis profitieren dabei nicht zuletzt von sei- nen umfangreichen Fachkenntnissen, die nun der Firma erhalten bleiben. Das persönliche Fazit von Dieter Hager: „Das Schöne ist, ich genieße volles Vertrauen. Es ist eine absolute Erfolgsgeschichte.“ Ein Bandscheibenvorfall und die anschließende Reha verschafften Christian Schulz die Ruhe- und Denkpause, die er brauchte. Er nahm Kontakt mit Ute Rehm-Schmid auf: „Wir haben ausschließlich auf seinen Fähigkeiten aufgebaut“, sagt sie. Am Betrieblichen Eingliederungsmanagement (BEM) nahm neben dem BEM-Team zusätzlich der Stand- ortleiter teil, dem es wichtig war, die Kenntnisse von Christian Schulz für die Firma zu erhalten. Gemeinsam machten sie sich daran, ein neues Aufgabenprofil zu entwickeln. Heute bearbeitet Christian Schulz eine Vielzahl von anspruchsvollen Themen: „Aktive Unterstützung und Koordination bei der kontinuierlichen Wei- terentwicklung des integrierten Managementsys- tems zu Umwelt-, Energie- und Arbeitssicherheit, Brandschutz, Qualitätssicherung in Zusammen- 2/2023 KVJS Aktuell 23
Integration arbeit mit allen Beauftragten und Führungskräften, Bearbeitung von Gefährdungsbeurteilungen und Durchführung von Arbeitsplatzmessungen zu Lärm, Beleuchtung oder Magnetfeldern“, zählt er unter anderem auf. Dabei kommt ihm zugute, dass er im Betrieb viele kennt und Vertrauen genießt. Seine Aufgaben kann Christian Schulz auch aus dem Homeoffice heraus erledigen. „Wichtig war, dass der Stress wegkommt“, erklärt er. „Gesund- heitlich geht es mit jetzt bedeutend besser. Ich bin Faller dankbar, dass wir das so regeln konn- ten.“ Mittlerweile ist Christian Schulz zudem als stellvertretender Schwerbehindertenvertreter die rechte Hand von Ute Rehm-Schmid, und Mitglied im BEM-Team. „Dankbarkeit sehe ich bei allen, denen Faller die Chance auf Veränderung gibt“, beschreibt Schwer- behindertenvertreterin Ute Rehm-Schmid ihre erfolgreichen Jobcarving-Aktivitäten. Und setzt hinzu: „Mich hat das umso glücklicher gemacht.“ Monika Kleusch ZB … … heißt in diesem Fall nicht „Zum Beispiel“ sondern „Zeitschrift Behinderung und Beruf“. Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen (BIH) informiert rund um das Thema berufliche Inklusion. Seit 2023 steht das Magazin sowie die baden-württember- gische Regionalausgabe ausschließlich als Digital- magazin zur Verfügung – multimedial, praxisnah und fachlich fundiert. Es lohnt sich! Hier geht´s zum kostenlosen Abo: www.bih.de/ integrationsaemter/zb-magazin/digitales-abo/ NEU: Digitale Jobassistenz per InA.Coach-App Die neue App ist eine digitale Aufgaben-Assistenz für den Arbeitsalltag. Sie zerlegt komplexe, für den Beruf typische Aufgaben in kleine, über- schaubare Einheiten und erinnert an wichtige Arbeitsschritte. Die Anwendung ist von vornhe- rein so inklusiv gestaltet, dass sie Menschen mit Behinderungen im Alltag unterstützen und damit ihre Beschäftigungssituation auf dem ersten Arbeitsmarkt nachhaltig verbessern kann. InA.Coach kann überall, online und offline einge- setzt werden. Neue Arbeitsabläufe – aber auch bereits erlernte – lassen sich detailliert beschrei- ben und mit Fotos, Sprachaufnahmen sowie Bewegtbild ergänzen. Job-Coaches können ihre Klientinnen und Klienten so mit passgenauen und leicht verständlichen Anleitungen unterstützen. Entstanden ist die App im Rahmen des For- schungsprojekts miTAS (multimediales individu- elles Trainings- und Assistenzsystem) in Zusam- menarbeit von Institutionen aus Forschung, Ausbildung und Integration von Menschen mit Behinderung. Die Anwendung ist in den bekannten AppStores für iOS- und Android-Geräte verfügbar. Um die App in der Vollversion nutzen zu können, ist eine Registrierung auf der Website InA.Coach erfor- derlich. Weitere Informationen und Registrierung unter: https://ina.coach https://app.ina.coach/user_registration/ 24 KVJS Aktuell BIH 2/2023
Jugend Jugendamtsleitungen treffen sich zur Jahrestagung Jahrestagung der Jugendamtsleitungen im KVJS-Bildungszentrum Schloss Flehingen. Foto: © Sandra Kopietz Im KVJS-Bildungszentrum Schloss Flehingen kamen vor Kurzem die Jugendamtsleitungen Baden- Württembergs zu ihrer jüngsten Jahrestagung zusammen. Die zweitägige Veranstaltung hielt eine Fülle an Programmpunkten bereit, darunter das Ganztagsförderungsgesetz und mögliche digitale Beteiligungsformen im Rahmen der Leistungser- bringung in der Kinder- und Jugendhilfe sowie der Sozialen Arbeit. Vor allem aber wurden die aktuellen Entwicklungen zur Situation der unbegleiteten minderjährigen Ausländer (UMA) in den Blick genommen – sowohl von Seiten des Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Integration als auch von Seiten des KVJS-Lan- desjugendamtes. Zudem referierte Dr. Gunter Joas, Chefarzt der Esslinger Klinik für Kinder- und Jugend- psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie. Der Vortrag beleuchtete die Aspekte von Trauma, Flucht und Traumafolgestörungen sowie die Herausforde- rungen für die Kinder und Jugendlichen. Der Termin für die nächste Jahrestagung der Jugendamtsleiterinnen und Jugendamtsleiter steht bereits fest: Geplant ist die Veranstaltung vom 26. bis 27. Februar 2024 im Tagungszentrum Gültstein. Ulrike von Siegroth 2/2023 KVJS Aktuell 25
Jugend Komplexe Fragen erfordern schnelle Antworten Landesjugendhilfeausschuss (LJHA) tagt zu gegenwärtigen Herausforderungen Die Themen sind vielfältig – und vor allem drängend. So ging es unter anderem um die Unterbringung und Betreuung geflüchteter Kinder, die schwierige Umsetzung des anstehenden Ganztagsförderungsgesetzes (GaFöG) sowie die nach wie vor angespannte (Personal)situation in den Kitas. Regelungen bleiben länger gültig Flexible Antworten auf drängende Fragen sind daher ein Muss. Und so hat das Sozialministerium auf Vorschlag des KVJS bereits im Nachgang zum Ausschuss entschieden, die geltenden Regelun- gen zur Anerkennung von Notfallunterbringungen zur Vermeidung von Obdachlosigkeit von UMA zu verlängern. Auch das UMA-Eckpunktepapier zu Unterbringungsformen wurde über 2023 hinaus bis zum 30. Juni 2024 verlängert. „Das bietet eine Planungsperspektive“, begrüßt Gerald Häcker, Leiter des KVJS-Landesjugendamtes, die ab sofort gültige Verlängerung dieser Regelungen. Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung Neben der Situation der UMA stand unter ande- rem das Thema GaFöG auf dem Programm. Damit besteht ab 2026 ein Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung für Grundschulkinder. Das Angebot sei sinnvoll, so Bauer, doch schon heute seien die erforderlichen Betreuungskräfte kaum verfügbar. Sprich: Wie können Kommunen das Angebot sicherstellen? Es steht außer Frage, dass die Umsetzung vor allem durch die Personalnot zu einer flexiblen Vorgehensweise zwingt, die sich vor allem an den Bedarfen vor Ort orientiert. Helfen soll dabei ein sogenannter Runder Tisch – eingerichtet als konstruktives Forum, das gelun- gene Praxisbeispiele in zukünftige Überlegungen mit einbezieht: „Es geht darum, gute kommunale Angebote in den Blick zu nehmen, die regional übertragen werden können. Man muss das Rad nicht an jeder Stelle neu erfinden“, sprach sich Kristin Schwarz für einen pragmatischen Ansatz Verbandsvorsitzender Gerhard Bauer (Mi.) begrüßte die Mitglieder und Gäste in der öffentlichen Sitzung des LJHA. An seiner Seite Verbandsdirektorin Kristin Schwarz und Landesjugendamtsleiter Gerald Häcker. Vor dem Hintergrund anhaltender globaler Fluchtbewegungen war die Unterbringung und Betreuung der unbegleiteten minderjährigen Ausländer (UMA) auch diesmal wieder eines der zentralen Themen auf der Agenda. „Es ist ganz klar die Herausforderung, die uns beschäftigen wird“, konstatierte Verbandsdirektorin Kristin Schwarz zu Beginn der Sitzung. Nicht zuletzt verschärften feh- lende Fachkräfte und Platzkapazitäten zusätzlich die Lage, wie der Verbandsvorsitzende Landrat Gerhard Bauer in diesem Zusammenhang betonte. Die große Notlage verlange vor allem schnelle Lösungen. O F N I Der Landesjugendhilfeausschuss wird 2023 noch zweimal tagen. Die kom- menden öffentlichen Sitzungen sind für den 5. Juli sowie den 18. Oktober vorgesehen, jeweils in Stuttgart. www.kvjs.de 26 KVJS Aktuell 2/2023
Jugend Die beim KVJS organisatorisch angesiedelte Landesombuds- stelle Baden-Württemberg war mit einem Infostand sowie einem Fachvortrag vertreten. Fotos: © Ulrike von Siegroth aus. „Eine weitere Herausforderung besteht darin, die Systeme Schule und Jugendhilfe künftig besser miteinander zu verbinden“, ergänzte Gerald Häcker. Der pragmatische Ansatz ist auch gefragt, wenn es um die unverändert herausfordernde Situation der Kitas hierzulande geht. Bauer skizzierte die gegenwärtige Lage: „Es fehlen fast 58.000 Kita- Plätze“ (laut aktueller Studie der Bertelsmann Stif- tung – Anmerkung der Redaktion). Und es fehlt an Personal. „Der bereits bekannte Zehn-Punkte-Plan wird durch den KVJS weiterhin flankierend beglei- tet“, versprach Schwarz – auch um Fachkräfte zu stärken und Perspektiven aufzuzeigen. Fazit: Die Aufgaben, die die Akteure das gesamte Jahr und darüber hinaus fordern werden, sind zahlreich und verlangen daher umso mehr ein rasches, lösungsorientiertes Handeln – in einer gemeinsamen Verantwortungsgemeinschaft. Ulrike von Siegroth FASD geht alle an: Regionalfachtage leisten Aufklärung Alkoholkonsum in der Schwangerschaft ist die häufigste Ursache für nicht erblich bedingte Anomalien, Entwicklungsstörungen und Behin- derungen bei Neugeborenen. Bekannt als FASD werden unter dieser Abkürzung Fetale Alkohol- spektrumstörungen zusammengefasst. Dabei wären die Beeinträchtigungen komplett vermeid- bar durch absolute Abstinenz in der Schwan- gerschaft. Umso wichtiger ist eine konsequente Aufklärungsarbeit in der Gesellschaft sowie im Gesundheits- und Sozialsystem. Hierfür setzen sich das Land Baden-Württemberg und der KVJS ein: Der Verband hat rund um das Thema FASD vier Regionalfachtage organisiert, um Fachkräfte in ihrer Arbeit mit Betroffenen und deren Ange- hörigen zu unterstützen. Der erste von vier FASD-Regionalfachtagen fand in Karlsruhe statt. Foto: © Sandra Kopietz Gezielt richtet sich die Veranstaltung an Fach- kräfte der Bereiche Kinder- und Jugendhilfe, Jugendarbeit, Jugendsozialarbeit, Schulsozi- alarbeit, Sucht/Prävention, Frühe Hilfen und Schwangerschaftsberatung. Den Auftakt der kostenfreien Regionalfachtage bildete die Ver- anstaltung in Karlsruhe (Foto). Im Fokus standen neben Entstehung und Symptomatik von FASD auch Information, Prävention und der Umgang mit der Behinderung. Nach Freiburg und Tübin- gen werden die Regionalfachtage demnächst in Heilbronn ihren Abschluss finden. 2/2023 Ulrike von Siegroth KVJS Aktuell 27
Jugend/Forschung Regionaler Fachtag zur Schulsozialarbeit „Schulsozialarbeit wirkt!?! Welche Einflussmöglich- keiten haben die Fachkräfte“: Unter diesem Titel stand der zweite „Regio-Fachtag“, der kürzlich in Freiburg stattfand. Rund 160 Fachkräfte und Trä- gerverantwortliche der Schulsozialarbeit kamen zusammen, um sich auszutauschen und zu vernet- zen. Auf der Agenda standen neben praxisnahen Workshops auch wertvolle Fachinformationen. So beleuchtete Professor Florian Baier in seinem Vortrag die Bedeutung des Arbeitsfeldes und bekräftigte durch die aktuelle Forschung, dass Schulsozialarbeit täglich Wirkung erzeugt. Fach- kräfte der Schulsozialarbeit seien Expertinnen und Experten, wenn es darum geht, die Stimmen der jungen Menschen zu hören und ihre Anliegen anwaltschaftlich zu vertreten. Zentral für die Wir- kung der Schulsozialarbeit sieht Baier, der an der Fachhochschule Nordschweiz Soziale Arbeit lehrt, ein Handeln nach ethischen Maximen und Zielen, die sich aus den Kinderrechten ableiten. Professor Florian Baier referierte zur Bedeutung der Schulsozial- arbeit. Foto: © Janine Böhm / Stadt Freiburg im Breisgau Der „Regio-Fachtag“ findet als Kooperation zwi- schen der Stadt Freiburg im Breisgau und der Land- kreise Breisgau-Hochschwarzwald, Emmendingen, Waldshut, Ortenaukreis statt. Er wird alle zwei Jahre von den beteiligten Stadt- und Landkreisen zusam- men mit dem KVJS-Landesjugendamt inhaltlich vorbereitet, organisiert und durchgeführt. Ulrike von Siegroth Kurzzeitpflege: Perspektiven in Baden-Württemberg Abschlusstagung stellt im Juli Ergebnisse des KVJS-Forschungsvorhabens vor Die Kurzzeitpflege leistet einen wesentlichen Beitrag, um pflegende Angehörige zu entlasten und die häusliche Pflege zu stärken. Wie die Weiterentwicklung des Angebots aussehen könnte, damit hat sich die KVJS-Forschung befasst. Ziel des KVJS-Forschungsvorhabens war es, anhand von regionalen Analysen Anregungen und Empfehlungen zum Ausbau und zur Weiter- entwicklung der Kurzzeitpflege in Baden-Würt- temberg zu geben. Zudem sollten Alternativen zur vollstationären Kurzzeitpflege und innovative Modelle aufgezeigt sowie Anregungen für zukünf- tige Modellprojekte oder Erprobungen gegeben werden. Nun steht das Projekt vor dem Abschluss. „Unterschiedliche Perspektiven – unter anderem von Kommunen, Leistungserbringern, Leistungs- trägern, Betroffenen – sind in die Untersuchung eingeflossen“, erklärt Bettina Ghiorghita vom 28 KVJS Aktuell 2/2023
Forschung Referat Pflege und Alter und Projektleiterin des Forschungsvorhabens. „Dazu kam ein Methoden- mix aus qualitativen und quantitativen Elementen zum Einsatz.“ Online-Befragungen und Interviews Der Forschungspartner des KVJS, das Berliner IGES Institut, hat eine Online-Befragung von stati- onären Pflegeeinrichtungen, eine standardisierte Leistungserfassung in ausgewählten Pflegehei- men und eine Versichertenbefragung entwickelt, die er mit Hilfe von zwei Pflegekassen in Baden- Württemberg umsetzte. Zudem führte das Institut Interviews mit Vertre- tern von Kommunen, Beratungsstellen, Pflegekas- sen, Krankenhäusern sowie Pflegeeinrichtungen durch. „Der Projektbeirat, der das Forschungsvor- haben begleitet hat, diskutierte die Ergebnisse und Empfehlungen zur Weiterentwicklung der Kurzzeitpflege“, so die Projektleiterin. Diese Ergebnisse werden nun auf der digitalen Abschlusstagung am 3. Juli 2023 zur weiteren Diskussion vorgestellt. „Für die Tagung haben wir uns ein Format überlegt, das Impulsvorträge und Podiumsdiskussionen verbindet“, erklärt Bettina Ghiorghita. „Wir planen insgesamt zwei zentrale Themenblöcke auf diese Weise zu beleuchten.“ Der Abschlussbericht des For- schungsvorhabens erscheint bereits Ende Mai. Monika Kleusch Anmeldung zur Abschlusstagung und weitere Informationen Die Abschlusstagung für das KVJS-Forschungs- vorhaben Kurzzeitpflege findet digital am 03.07.2023 von 9:00 bis 12:30 Uhr statt. Sie können sich über folgenden Link anmelden: www.kvjs.de/fortbildung/detail/kurs/ 23-2- FKPf1-1x/info Alle Informationen zum Forschungsvorhaben finden Sie auf der Projektwebseite: www.kvjs.de/forschung/kvjs-forschung/ projekte/kurzzeitpflege Kurzzeitpflege ist ein wichtiges Angebot für Senioren (Symbolbild). Foto: © Halfpoint - stock.adobe.com 2/2023 KVJS Aktuell 29
Neu erschienen Neu erschienen Alle Publikationen des KVJS sind kostenlos. Sie stehen auch im Internet unter www.kvjs.de/der-kvjs/service/publikationen-und- videos/ zum Download zur Verfügung. Soziales KVJS-Spezial „Wohnen ohne Barrieren“, März 2023. Diese Publikation hält Einblicke in die barrierefreie KVJS-Musterwohnung bereit. Das Heft bietet außerdem Anregungen zu altersgerechten Assistenz- Systemen sowie zum Einsatz von Licht und Farbe, Tipps zur Finanzierung von Anpassungs- oder Umbaumaßnahmen sowie Infos und Reportagen rund ums Thema Wohnberatung. Bestellung: Silvia Kiraly Telefon 0711 6375-237 Sekretariat22@kvjs.de Dokumentation Gemeindepsychiatrischer Verbund 2021-2022, Februar 2023. Hrsg.: KVJS, Landkreistag Baden-Württemberg, Städtetag Baden-Württemberg. Die GPV-Dokumentation ist ein bewährtes Gemeinschaftsprojekt. Analysiert werden die GPV-Strukturen, Leistungen und Angebote der neugefassten Eingliederungshilfe, ambulante Behandlung sowie die niedrigschwelligen Angebote für Menschen mit psychischer Erkrankung. Bestellung: Manuela Weissenberger Telefon 0711 6375-307 Maria Cumplido Telefon 0711 6375-769 Sekretariat21@kvjs.de 30 KVJS Aktuell 2/2023
Neu erschienen Symbolbild Broschüren. Foto: © fotofabrika - stock.adobe.com Integration Digitalmagazin ZB Behinderung & Beruf und Regionalausgabe Baden-Württemberg, Ausgabe 1/23. Mit der aktuellen Ausgabe erscheint die Zeitschrift ZB Behinderung & Beruf ausschließlich als Digitalmagazin und nicht mehr parallel als Printausgabe: www.bih.de/integrationsaemter/zb-magazin/ausgabe-01-2023/ueberblick/. Unter dem Reiter „Regionales“ können Sie die ebenfalls sehr informative Baden-Württemberg Zusatzausgabe lesen. Digitale ZB kostenlos abonnieren: www.bih.de/integrationsaemter/zb-magazin/digitales-abo/ 2/2023 KVJS Aktuell 31