Soziales Menschen mit Autismus besser verstehen Neue Veranstaltungsreihe erfolgreich gestartet Menschen mit Autismus haben sehr unterschiedliche Fähigkeiten, Verhaltensweisen und Bedarfe. Um ihnen gleichberechtigte Teilhabe und individuelle Unterstützung zu ermög- lichen, ist es wichtig, die neuronale Entwicklungsstörung (besser) zu verstehen. Mit seiner neuen Vortragsreihe will der KVJS die Stadt- und Landkreise genau dabei unterstützen. Unter dem Motto „Impulse Autismus“ bietet der Verband den Fachkräften aus den Bereichen der Eingliederungshilfe und der Jugendhilfe vielfältige Veranstaltungen zum Thema an. „Wir möchten Ihnen einen Werkzeugkoffer mit Anregungen und Impulsen an die Hand geben. Er soll Ihnen in Ihrer Funktion als Rehabilitationsträger das Verständ- nis für die Bedarfe von Menschen im Autismus- Spektrum erleichtern“, begrüßte Alina Greiner, stellvertretende Leiterin des Medizinisch-Pädago- gischen Dienstes, die Teilnehmenden. Das erste Handwerkszeug lieferte der renommierte Referent Ludo Vande Kerckhove am 2. April – dem Inter- nationalen Welt-Autismus-Tag – in Gültstein. Um die Vielfalt der Erscheinungsformen zu betonen, spricht man aus fachlicher Sicht von Autismus- Spektrum-Störungen (ASS). Unkonkretes verunsichert Wie facettenreich die neuronale Entwicklungs- störung ist, vermittelte Vande Kerckhove anhand zahlreicher Beispiele aus seiner Tätigkeit als Berater und Coach sowie aus seinem privaten Umfeld. Autismus wirkt sich in unterschiedlichem Ausmaß auf die Fähigkeiten, die Kommunikation und das Verhalten einer Person aus. Vande Kerck- hove stellte verschiedene Modelle vor, die zentrale kognitive Prozesse beleuchten. Im Mittelpunkt stand unter anderem die Theory of Mind, also die Fähigkeit, sich in andere Menschen hineinzuver- setzen, ihre Gedanken zu verstehen, Absichten und Emotionen zu interpretieren oder Ironie zu erkennen. Anhand eines Beispiels veranschau- lichte der Experte diesen Aspekt und fragte eine Teilnehmerin: „Können Sie das Licht anmachen?“. Die Teilnehmer erkannte intuitiv, dass sich dahin- ter die Aufforderung „Mach das Licht an!“ ver- barg und handelte entsprechend. Menschen mit Autismus hingegen haben oft Schwierigkeiten, indirekte Kommunikation zu verstehen und eine Annahme zu treffen, worauf der Gesprächspartner hinauswill. Einzelne Puzzleteile, kein ganzes Bild Die Teilnehmenden beschäftigten sich auch mit dem Modell der Zentralen Kohärenz. Dieses Modell erklärt die Fähigkeit, Informationen nicht isoliert wahrzunehmen, sondern sie miteinander zu verknüpfen und in einen größeren, sinnvollen Zusammenhang einzuordnen. Wie bei einem Puzzle, bei dem nicht nur die einzelnen Teile betrachtet, sondern auch miteinander verbun- den werden müssen, um ein vollständiges Bild zu erhalten. Während eine sehr genaue Wahr- nehmung und ein außergewöhnlicher Blick für Details eine besondere Stärke von Menschen mit Autismus sei, fehle, so Vande Kerckhove, oft die Fähigkeit, Zusammenhänge zwischen Details zu erkennen. Die Gruppe befasste sich auch mit den exekuti- ven Funktionen, die unter anderem eine zentrale Rolle dabei spielen, flexibel auf Veränderungen zu reagieren, Schritte zu planen und Aufgaben zu strukturieren. Auch diese Fähigkeit ist bei vielen Menschen mit Autismus eingeschränkt. 12 KVJS Aktuell 2/2025