Künstliche Intelligenz - Zukunft der Kinder- und Jugendhilfe?!

Jahrestagung der Träger und Leitungen von Einrichtungen und sonstigen betreuten Wohnformen der Hilfe zur Erziehung am 14. und 15. März 2024

Die zweitägige Fachtagung zum Thema "Künstliche Intelligenz - Zukunft der Kinder- und Jugendhilfe?!" ermöglichte einen umfassenden Einblick in aktuelle Entwicklungen der stationären Erziehungshilfe. Gemäß dem diesjährigen Veranstaltungsthema wurden die Potenziale von Künstlicher Intelligenz (KI) in der Sozialen Arbeit umfassend diskutiert und Chancen für innovative Lösungsansätze aufgezeigt. Ein besonderer Schwerpunkt lag unter anderem auf dem Paradigmenwechsel in der Kinder- und Jugendhilfe, der eine Neuausrichtung von Arbeitsweisen und Denkmustern erfordert.

Der erste Tag startete mit einem Überblick über aktuelle Entwicklungen im Landesjugendamt, präsentiert von Gerald Häcker (KVJS, Dezernatsleitung Landesjugendamt). Er informierte die rund 170 Teilnehmenden über die seit 04.09.2023 befristete bundesweite Verteilung von unbegleiteten minderjährigen Ausländer:innen (UMA), die Verlängerung des Notfallunterbringungs- sowie das Eckpunktepapier für UMA bis zum 31.12.2025, den aktuellen Stand der LKJHG-Reform und der anstehenden inklusiven Lösung sowie den neuen Erprobungsparagraph in Kindertageseinrichtungen. Zum Landesförderprogramm der Schulsozialarbeit (SSA) wurde die sozialindexbasierte Ressourcenzuweisung thematisiert und betont, dass der Fokus hierbei auf präventiven Maßnahmen statt reaktiven Interventionen gerichtet sei. Des Weiteren wurde über das Ganztagsfördergesetz (GaFöG) informiert, für das der Bund 386 Mio. € für Baden-Württemberg zur Verfügung stellt. Ein Runder Tisch mit verschiedenen Arbeitsgruppen wurde angekündigt, um die Alltagsbildung durch den Ganztag zu fördern.

Ein Höhepunkt der Tagung war der Vortrag von Dr. Jürgen Strohmaier (KVJS, Referatsleitung Hilfe zur Erziehung und stellvertretende Dezernatsleitung Landesjugendamt) über Impulse für stationäre Erziehungshilfen. Dabei wurde eine umfassende Situationsanalyse präsentiert, die verschiedene Faktoren wie demografische Entwicklungen, Krisensituationen, Ansprüche an die Soziale Arbeit und strukturelle Herausforderungen beleuchtete. Ein Paradigmenwechsel und eine selbstkritische Debatte seien notwendig, um den aktuellen Herausforderungen gerecht zu werden.

Der Bericht der Kommission Kinder- und Jugendhilfe (KKJH), vertreten von Barbara Brüchert (stv. Vorsitzende der KKJH) und Benjamin Lachat(Vorsitzender der KKJH), thematisierte die Weiterentwicklung der Rahmenbedingungen in der Kinder- und Jugendhilfe. Sie betonten, dass die Kinder- und Jugendhilfe in ihrer Gesamtheit betrachtet werden müsse, um sie nachhaltig weiterzuentwickeln. Gemeinsam mit Stellvertretenden der Jugendämter, Einrichtungen und Verbände sowie mit dem Landesjugendamt und dem Referat Vertragsrecht und Vergütungen wurde die Verantwortungsgemeinschaft für eine starke und zukunftsfähige Kinder- und Jugendhilfe im vergangenen Jahr reflektiert.

Im Rahmen der Tagung wurde Dr. Jürgen Strohmaier herzlich von Gerald Häcker, der KKJH und den Teilnehmenden in den Ruhestand verabschiedet, wobei sein wertvolles Engagement und seine Hingabe für die Kinder- und Jugendhilfe hervorgehoben und gewürdigt wurden. Dr. Jürgen Strohmaier vertrat in der AG struktureller Kinderschutz die Interessen der Kinder- und Jugendhilfe, erarbeitete Rahmenregelungen und Konzepte für die Unterbringung und Betreuung von UMA. Zudem war er maßgeblich an der Umsetzung der Regelungen des Bundeskinderschutzgesetzes beteiligt, um nur einige seiner Verdienste zu nennen.

Der Vortrag von Daniel Hahn (stv. Direktor Haus Nazareth), Prof. Dr. Christina Plafky (Leitung Lehre, Leitung MSc Soziale Arbeit Ostschweizer Fachhochschule) und Prof. Dr. rer. net. habil. Michael Macsenaere (Leiter Institut der Kinder- und Jugendhilfe Mainz) führte in den Themenschwerpunkt Künstliche Intelligenz (KI) ein und unterstrich dessen Relevanz für die Soziale Arbeit. Dabei wurden Themen wie Datenerhebung, Wirksamkeitsanalyse, Einsatz von Chatbots und die Automatisierung administrativer Aufgaben diskutiert. Es wurde deutlich, dass die Soziale Arbeit vor der Herausforderung steht, Datenschutz und ethische Richtlinien im Umgang mit KI im Sinne einer kritischen Haltung zu gewährleisten und gleichzeitig die Chancen dieser Technologie zu nutzen.

Abschließend wurden von Martin Adam die Ergebnisse des Arbeitskreises Einrichtungsleitungen präsentiert, der positive Entwicklungen in der Kinder- und Jugendhilfe sowie eine gemeinschaftliche Zusammenarbeit zwischen Leistungsträgern und Leistungserbringern betonte. Die Protokolle und weitere Informationen sind auf der Homepage des Arbeitskreises einsehbar.

Der zweite Tag wurde von Gudrun Mittner (KVJS, stv. Referatsleitung Hilfe zur Erziehung) eröffnet. Sie führte in das Tagungsprogramm ein und moderierte die Veranstaltung.

Johannes Rembold (Referent beim Landesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit Baden-Württemberg) thematisierte zahlreiche Aspekte und Fragestellungen rund um Datenschutz und Videoüberwachung zur Sicherstellung der Aufsicht in der (teil-)stationären Erziehungshilfe. Die ausführliche Präsentation von Herrn Rembold mit weiteren Informationen sind auf unserer Homepage eingestellt.

In einem weiteren Beitrag stellte die Ombudschaft in der Jugendhilfe Baden-Württemberg ihre Arbeit vor. Dr. Sonja Kuhn (Landesombudsfrau) und ihr Kollege Renke Jahn (Stv. Mitarbeiter) präsentierten die aktuellen Zahlen von 2023. Die Ombudschaft begleitet und unterstützt junge Menschen, (Pflege-)Eltern und Fachkräfte bei Konflikten in der Kinder- und Jugendhilfe. Ein zentrales Anliegen ist die Förderung und Stärkung der Beteiligung von jungen Menschen und ihren Familien. Im Jahr 2023 suchten 52 Kinder und Jugendliche die Ombudschaft auf, wobei mangelnde Beteiligung das häufigste Anliegen war.

Kathrin Kratzer (KVJS, überörtliche Jugendhilfeplanung und -berichterstattung) präsentierte aktuelle Zahlen der (teil-)stationären Erziehungshilfe in Baden-Württemberg aus dem Jahr 2022 und zeigte die Entwicklungen auf. Es wurde deutlich, dass bereits 2022 die Kapazitäten in der stationären Jugendhilfe ausgeschöpft waren und nicht alle betriebserlaubten Plätze belegt werden konnten. Dies resultierte aus dem Fachkräftemangel, der die Einhaltung des geforderten Mindestpersonalschlüssels erschwerte. In Zukunft werde die Zahl der Menschen, die potenziell Hilfen zur Erziehung benötigen, voraussichtlich nicht abnehmen, während die Zahl der potenziellen Nachwuchskräfte aufgrund der demografischen Entwicklung zurückgehen werde. „Angesichts dieser Herausforderungen werden alle Beteiligten verstärkt gefordert sein, Lösungen zu finden und entsprechend zu reagieren“.

Den Abschluss bildete Stephanie Herr (Institut für Sozialpädagogische Forschung Mainz). Sie stellte die Arbeit der Servicestelle für junge Geflüchtete seit 2015 vor. Seit 2020 ist auch Baden-Württemberg neben Rheinland-Pfalz an dieser Arbeit beteiligt. In der aktuellen Projektlaufzeit 2023-2026 widmet sich die Servicestelle dem Ziel, die Selbstständigkeit und Beteiligung junger Geflüchteter zu stärken. Hierfür werden Fortbildungen für Fachkräfte angeboten, Instrumente entwickelt und die Projekthomepage kontinuierlich weiterentwickelt.

Die Tagung verdeutlichte, dass die Herausforderungen der Kinder- und Jugendhilfe nur gemeinsam bewältigt werden können, indem öffentliche und freie Träger sowie verschiedene Gremien zusammenarbeiten.

Die nächste Jahrestagung der Träger, Leiterinnen und Leiter von Einrichtungen und sonstigen betreuten Wohnformen der Hilfen zur Erziehung findet am 01. und 02. April 2025 in der Evangelischen Tagungsstätte Bad Boll statt.

Präsentationen und Unterlagen

Aktuelles aus dem KVJS-Landesjugendamt
Gerald Häcker, KVJS-Landesjugendamt

Paradigmenwechsel im Bereich HzE? – Eine Situationsanalyse und mögliche Handlungsansätze
Dr. Jürgen Strohmaier, KVJS-Landesjugendamts

Weiterentwicklung Rahmenbedingungen der (teil-)stationären Kinder- und Jugendhilfe – Neues aus der Kommission Kinder- und Jugendhilfe (KKJH)
Barbara Brüchert, Benjamin Lachat 

  • Präsentation (wird nachgereicht)

Künstliche Intelligenz (KI) – Innovative Einblicke, gemeinsame Gestaltung und praxisnahe Anwendungen
Daniel Hahn, Prof. Dr. Christina S. Plafky, Prof. Dr. rer. nat. habil. Michael Macsenaere

Informationen aus dem Arbeitskreis der Einrichtungsleitungen
Martin Adam

Datenschutzrechtliche Fragen zum Einsatz von technischen Hilfsmitteln zur Sicherstellung der Aufsicht in der stationären Kinder- und Jugendhilfe
Johannes Rembold

Ombudschaft Baden-Württemberg: Stand, aktuelle Entwicklungen und Projekt Materialkoffer
Dr. Sonja Kuhn, Ranke Jahn

Empirische Schlaglichter auf aktuelle Entwicklungen in der (teil-)stationären Erziehungshilfe in Baden-Württemberg
Kathrin Kratzer, KVJS-Landesjugendamt

Servicestelle für junge Geflüchtete: Input und Austausch
Stephanie Herr