„Für mehr Miteinander“ – Jahrestagung der Mobilen Jugendarbeit/Streetwork
Vom 26. bis 28. April 2021 veranstaltete das KVJS-Landesjugendamt in Kooperation mit der LAG Mobile Jugendarbeit/Streetwork Baden-Württemberg e.V. und der Vorbereitungsgruppe eine Online-Jahrestagung unter dem Motto „Für mehr miteinander – Die soziale Verantwortung der Mobilen Jugendarbeit/Streetwork“.
Riva Moll (KVJS-Landesjugendamt, Referat 44, Referat Jugendarbeit, Förderprogramme und Landesverteilstelle UMA) und Christiane Hillig (LAG Mobile Jugendarbeit/Streetwork Baden-Württemberg e.V.) begrüßten die rund 100 Teilnehmerinnen und Teilnehmer am Nachmittag und eröffnete im Namen der Vorbereitungsgruppe (Eddy Götz, Gerhard Eppler, Annika Kurz, Florian Langer, Sascha Wagner, Marina van der Zee, Isabelle Döbele) die Online-Jahrestagung. Aufgrund der Corona-Pandemie wurde die Jahrestagung im digitalen Format geplant und durchgeführt.
Mathieu Coquelin (Fachstelle Extremismusdistanzierung der LAG, im Demokratiezentrum Baden-Württemberg) startete die Online-Jahrestagung mit einem Vortrag zum Thema „Verschwörungsideologien“. Mit einem Warm-up, bei dem die Teilnehmerinnen und Teilnehmer die „kognitive Verzerrung“ in Bezug auf Verschwörungsideologien deuten sollten. Mathieu Coquelin behandelte die Themen „Definitionen“ im Zusammenhang mit Verschwörungsideologien und den „Begrifflichkeiten“, dem „Wer und Warum“ und welche „Gefahren“ bestehen und ließ die Teilnehmerinnen und Teilnehmer in Kleingruppen (Break-out-Sessions) Übungen zum Thema Gut/Böse bearbeiten.
Das Abendprogramm wurde auf „wonder.me“ gestaltet, einem virtuellen Konferenzraum, um ins Gespräch zu kommen und sich auszutauschen.
Der zweite Tag der Online-Jahrestagung startete mit einem Grußwort von Annette Krawczyk (KVJS-Landesjugendamt, stellvertretende Referatsleiterin Referat 44 Jugendarbeit, Förderprogramme und Landesverteilstelle UMA). „In letzter Zeit ist vieles anders gekommen. Wir betreten in unserer Arbeit viel Neuland. Die momentane Situation verlangt von uns allen ein hohes Maß an Flexibilität und die Bereitschaft neue Wege zu gestalten und zu gehen. Die Corona-Pandemie wirkt sich auf die jungen Menschen besonders aus. Auch Sie als Fachkraft der Mobilen Jugendarbeit mussten sich in kürzester Zeit auf die eingetretenen Veränderungen, Einschränkungen und Bedingungen einstimmen und neue Ideen und Ansätze entwickeln, um beispielsweise den Zugang, den Kontakt und die Beziehung zu den Adressatinnen und Adressaten aufrecht zu erhalten.“
Lars Schoppe und Julian Schmid (Vorstand LAG Mobile Jugendarbeit/Streetwork Baden-Württemberg e.V.) führten im Anschluss in den zweiten Tag ein: „Für uns als LAG ist es eine besondere Form der Jahrestagung. Den Bedarf nach gegenseitigem Austausch, auch in dieser Pandemie, zeigen die hohen Anmeldezahlen für diese Tagung. Wir sind froh, den weiteren Austausch aufrechterhalten zu können.“ Sie blickten zurück auf das letzte Jahr. „Für die Fachkräfte war es anstrengend. Bis auf Weiteres wird es auch so bleiben. Wie kann ich als Einzelner diese Belastung stemmen?“ Vieles könne man optimieren, methodische Arbeitsweisen, Optimierung der Arbeitsabläufe, Zeitmanagement, aber man sei irgendwie Einzelkämpfer/Einzelkämpferin und muss das, was passiert allein auffangen und die jungen Menschen mit ihren Sorgen und Nöten, die in der Corona-Pandemie immer größer geworden sind, ernst nehmen.
„Jugendliche brauchen Freiräume! Auswirkungen der Corona-Pandemie auf junge Menschen und Angebote der Kinder- und Jugendarbeit“. Zu diesem Thema referierte Dr. Gunda Voigts, (Professorin für Grundlagen der Wissenschaft und Theorien Sozialer Arbeit, HAW Hamburg) am zweiten Tag. „Das Wohl des Kindes ist immer vorrangig zu berücksichtigen. Die Rechte der Kinder und Jugendlichen werden in der Pandemie missachtet.“
Nach einer Diskussionsrunde erhielt Marion Deiß (Leiterin Referat 23, Ministerium für Soziales und Integration Baden-Württemberg) das Wort zu aktuellen Entwicklungen der Jugendsozialarbeit in Baden-Württemberg: „Wir befinden uns noch mitten in der Pandemie und wir können nicht voraussehen, wie es weitergeht. Die soziale Verantwortung der Mobilen Jugendarbeit/Streetwork steht im Fokus. Für Kinder- und Jugendliche ist es eine besondere Herausforderung.“
Im Anschluss berichteten Christiane Hillig und Christiane Bollig (LAG Mobile Jugendarbeit/ Streetwork Baden-Württemberg e.V.) zu Aktuellem aus der LAG und dem bundesweiten Fachdiskurs. Die landesweite AG Digitalisierung der LAG, die 2017 eingerichtet wurde, arbeitet aktuell an einer Orientierungshilfe, die sich mit dem Thema „Digitales Arbeiten in der Mobilen Jugendarbeit“ beschäftigt. Die Broschüre „Was leistet Mobile Jugendarbeit?“ ist nur noch in begrenztem Umfang verfügbar, eine Aktualisierung sowie der Nachdruck sind in Arbeit. Die nächste Jahrestagung findet voraussichtlich vom 2. bis 4. Mai 2022 statt.
Am Nachmittag starteten die Workshops, zu denen sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer vorab anmelden konnten:
- “Was ihr nicht seht” Alltagsrassismus in Deutschland – BCF Stuttgart sensibilisiert (Jelisa Justine Delfeld und Carina Flaig, Black Community Foundation, Stuttgart)
- Zeichen Setzen – Vielfalt in unserer Gesellschaft (Mathieu Coquelin und Derya Sahan, FEX)
- “We look out for each other!” – Interventionen gegen Racial Profiling & rassistische Polizeibrutalität (Sina und Sherin, copwatchffm, Frankfurt am Main)
- Lobbyarbeit für die Mobile Jugendarbeit in Zeiten der Existenz-Not (Ralf Jankovsky, Freiburg)
- Mobile Jugendarbeit/ Streetwork vs. Polizeibehörden – Gratwanderung zwischen Hilfe und Kontrolle (Elvira Bernd, Gangway – Straßensozialarbeit Berlin e.V. und Christiane Bollig, LAG Mobile Jugendarbeit/Streetwork e. V.)
Am letzten Tag der Online-Jahrestagung hielt Mag.a Gabriele Wild (FH Campus Wien) einen Vortrag zum Thema „Aber sicher?! Ordnungspolitische Erwartungen an die MJA im öffentlichen Raum und Ansatzpunkte eines fachlich begründeten Umgangs“.
Nach einer virtuellen Kaffeepause startete die Offene Methode. Aus dem Teilnehmendenkreis wurden einige Themen eingebracht, über die sich in zwei Sessions untereinander ausgetauscht werden konnte. Themen waren zum Beispiel das geplante Jugendhearing des Ministeriums für Soziales und Integration, die Kooperation zwischen Angeboten der Offenen Kinder- und Jugendarbeit und Mobilen Jugendarbeit oder das Verhältnis zwischen Polizei und Mobiler Jugendarbeit.
Abgeschlossen wurde die Tagung wieder mit der traditionellen Preisverleihung für gelungene Modellprojekte in der Mobilen Jugendarbeit/ Streetwork B.W. Gratulation an:
- Platz MJA Ulm-Wiblingen „CoronaundWie“
- Platz MJA Überlingen „Wir strampeln uns ab für mehr Wohnraum“
Und einen geteilten dritten Platz
- Platz Freiburger StraßenSchule „Drachenflieger“ und MJA Pforzheim „Videoprojekt Wohin denn? …sag deine Meinung!! Unser Platz in Pforzheim
Mobile Jugendarbeit in Baden-Württemberg
Das Arbeitsfeld der Mobilen Jugendarbeit/Streetwork begründet sich maßgeblich auf die Arbeit von Prof. Dr. Walther Specht, der vor über 50 Jahren den Ansatz Mobiler Jugendarbeit/Streetwork mit- (und seitdem national und international) weiterentwickelt hat. Die erste Wirkstätte war in dem neu entstehenden Stadtteil in Stuttgart Freiberg. Walter Specht hatte in seinem Studium von dem Konzept des Streetwork in den USA erfahren. Sein Ziel war, „Gefallene wieder aufzurichten und andere vor dem Fallen zu bewahren.“
Am 29. Januar 2021 ist Prof. Dr. Walther Specht im Alter von 82 Jahren verstorben. Über seinen Tod hinaus werden uns seine Leitideen, fachlichen Überzeugungen begleiten und uns im Bewusstsein lassen, sich gegen Ausgrenzung und für benachteiligte junge Menschen politisch einzusetzen.