„Unbegleitet, aber nicht unsichtbar“ – Perspektiven für junge Geflüchtete
Am 15. Juli 2024 veranstaltete das KVJS-Landesjugendamt in Kooperation mit der Servicestelle junge Geflüchtete einen Fachtag mit dem Titel “Unbegleitet, aber nicht unsichtbar: Beteiligungsorientierte Jugendhilfe gestalten”. „Es geht darum, die jungen Menschen selbst mit ihren Bedarfen und eigenen Perspektiven in den Mittelpunkt zu stellen,“ so Gerald Häcker (Dezernatsleiter des KVJS-Landesjugendamts).
Das breite Programm des Fachtags setzte sich aus Fachvorträgen, thematischen Foren und einem abschließenden Film zusammen, die gemeinsam dazu beitrugen, neue Lösungsansätze zu entwickeln und bestehende Strukturen zu hinterfragen.
Einen Schwerpunkt bildete der Vortrag von Katia Gallegos Torres / Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung. Unter dem Titel „Chancen einer Migrationsgesellschaft“ beleuchtete sie die die Themen Demografie und den Arbeitskräftebedarf in Deutschland, die Arbeitsmarktintegration der vor 2022 zugewanderten Geflüchteten, die Rolle der institutionellen Rahmenbedingungen und ein internationaler Vergleich.
Entgegen vieler negativer Annahmen und der oft kritischen öffentlichen Diskussion verläuft die Integration junger Geflüchteter besser als erwartet. Besonders hob sie hervor, dass die Integration trotz zahlreicher Hürden – von der unvorbereiteten Flucht über das Asylverfahren bis hin zu Beschäftigungsverboten und der schwierigen Anerkennung ausländischer Qualifikationen – zunehmend gelingt. Ein weiterer wichtiger Aspekt des Vortrags war die Bedeutung nicht-institutioneller Faktoren wie ehrenamtliches Engagement, persönliche Kontakte und ein allgemeines Willkommensgefühl. Diese Elemente spielen eine zentrale Rolle bei der Orientierung junger Geflüchteter in ihrer neuen Lebenswelt. Frau G. betonte, dass Investitionen in diese frühen Phasen der Lebensgestaltung notwendig seien, um langfristig positive Entwicklungen zu fördern.
Prof. Dr. Stephan Hocks thematisierte in seinem Fachvortrag die rechtlichen Rahmenbedingungen, denen junge Geflüchtete in Deutschland begegnen. Dabei ging er insbesondere auf deren besondere Schutzbedürftigkeit ein und erläuterte, wie das deutsche Rechtssystem versucht, diesen Anforderungen gerecht zu werden. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer erhielten dabei wichtige Einblicke in die Komplexität der rechtlichen Rahmenbedingungen, die häufig sowohl für die Betroffenen als auch für die beteiligten Institutionen eine Herausforderung darstellen.
In verschiedenen Foren hatten die Teilnehmenden die Möglichkeit, spezifische Themen zu vertiefen. Diskutiert wurden unter anderem die Bedarfslagen junger Geflüchteter, Beteiligungsmöglichkeiten in der Hilfeplanung, der Übergang in ein selbstständiges Leben („Leaving Care“) sowie der Einsatz digitaler Tools. Ein besonderes Augenmerk lag auch auf der Entwicklung und Stärkung einer diskriminierungskritischen Haltung in der Jugendhilfe. Diese Foren boten Raum für intensive Diskussionen und den Austausch von Best Practices.
Der Fachtag fand seinen emotionalen Höhepunkt in der Vorstellung des Films „Don’t stop motion: Die Fluchtgeschichte dreier junger mutiger Menschen“. Dieser Stop-Motion- und Dokumentarfilm, der von und mit jungen Geflüchteten entstanden ist, erzählt eindrücklich die Geschichten von Jugendlichen, die ihre Heimat verlassen haben, um in Deutschland ein neues Leben zu beginnen. Der Film, der durch ein anschließendes Interview mit dem Protagonisten Muntazar und der Regisseurin vertieft wurde, verdeutlichte nicht nur die Herausforderungen, denen diese jungen Menschen gegenüberstehen, sondern zeigte auch ihre enorme Resilienz und ihren Mut.
Der Fachtag verdeutlichte die dringende Notwendigkeit, junge Geflüchtete nicht nur als Schutzsuchende, sondern als aktive Gestalter ihrer Zukunft zu sehen. Die Beiträge und Diskussionen zeigten Wege auf, wie eine beteiligungsorientierte Jugendhilfe diesen jungen Menschen die Perspektiven bieten kann, die sie für ein gelungenes Leben in Deutschland benötigen.