Beschäftigung von Menschen mit Handicap
Thomas Schäffers (Name geändert) schriftliche Bewerbung war vielversprechend. „Fachlich bringt er alle Fähigkeiten mit, die wir für unsere Digitalisierungspläne brauchen“, sagt Anne Breitenbücher, die das IT-Team von XSYS leitet. „Nach einem ersten Online-Bewerbungsgespräch waren wir überzeugt. Es war klar: wir wollen ihn“, erinnert sie sich. Im weiteren Prozess unterstützend an ihrer Seite: das KVJS-Inklusions- und Integrationsamt.
Auch klar war: Erst muss umgebaut werden, denn der 44-Jährige ist aufgrund einer Erkrankung auf einen Elektro-Rollstuhl angewiesen. Damit ging der Druckplattenhersteller aus dem Ortenaukreis neue Wege. Thomas Schäffer ist der erste Mitarbeiter in der Betriebsgeschichte mit Rollstuhl. Das flache Industriegebäude, in dem sich heute Schäffers Arbeitsplatz befindet, ist rund 40 Jahre alt – barrierefreies Bauen war damals noch kein Thema. Sofort wurde man bei XSYS aktiv, ein kleines, engagiertes Team machte es sich zur Aufgabe, nach kosten- und ressourcenschonenden Umbaumöglichkeiten und Handwerkern zu suchen.
„Um sicherzugehen, dass wir mit unseren Plänen richtig liegen, haben wir das Inklusions- und Integrationsamt eingeschaltet“, erzählt XSYS-Standortleiterin Alexandra Kindle. Schließlich musste das Unternehmen für den Einbau eines barrierefreien Gebäudezugangs und eines barrierefreien Sanitärraums ordentlich investieren.
Dann ging alles flott: Ein Sachbearbeiter und ein Mitarbeiter des Technischen Beratungsdienstes, beide vom Inklusions- und Integrationsamt des KVJS, kamen, um das Vorhaben vor Ort zu prüfen. Neben ihrer fundierten Einschätzung und Beratung brachten die beiden eine gute Nachricht mit: Das Inklusions- und Integrationsamt wird die behinderungsbedingten Maßnahmen bezuschussen.
Während in Willstätt die erforderlichen Gewerke organisiert und beauftragt wurden, fertigte der Technische Berater des Inklusions- und Integrationsamtes ein Gutachten an, in dem er die Notwendigkeit des Umbaus bestätigte. Dass die Behörde am Ende sogar stattliche 90 Prozent der Kosten erstattete, hat bei XSYS positiv überrascht. Und dass es auch noch die Kosten des neuen Laptops für Thomas Schäfer übernahm, kam auch gut an. Bei der Schaffung eines neuen zusätzlichen Arbeitsplatzes fördert das Amt, sozusagen als Motivationsspritze, auch solche Investitionen, die der Arbeitgeber auch bei der Einstellung eines Menschen ohne Behinderung getätigt hätte. Weil bei XSYS das Team der IT-ler vergrößert wurde, handelt es sich um die „Schaffung eines neuen Arbeitsplatzes“, der aus Mitteln der Ausgleichsabgabe bezahlt wurde. Den Antrag findet man auf der Seite des Inklusions- und Integrationsamtes.
Wenige Monate später, am Arbeitsplatz von Thomas Schäffer in Willstätt. „Wir freuen uns, dass das alles so gut geklappt hat“, lobt Alexandra Kindle. Schäffer ist längst nicht mehr „der Neue“, sondern ein beliebter und geschätzter Kollege. „Die meiste Zeit arbeite ich im Homeoffice, aber wenn ich ins Büro fahre, komme ich ohne fremde Hilfe an meinen Arbeitsplatz“, erzählt das Team-Mitglied, das dank eines höhenverstellbaren Schreibtisches dort gut arbeiten kann. Sein Auto parkt er auf dem für ihn angelegten Behindertenparkplatz vor dem Gebäude. Im vorhandenen Sanitärbereich wurde für ihn eine behinderungsgerechte Toilette eingerichtet. „Wir alle haben unseren Blick verändert“, erzählt Team-Chefin Anne Breitenbücher. „Dass die Welt für einen Rollstuhlfahrer voller Barrieren ist, war uns in dem Ausmaß nicht bewusst“. Stehen mehrtägige Meetings des IT-Teams an, reist Schäffer aus seiner Heimatstadt an und übernachtet im Hotel. Breitenbücher ist regelrecht schockiert darüber, wie schwer sich dann die Suche nach geeigneten Restaurants gestaltet. Die Kollegen beschließen ihre Treffen gerne mit einem gemeinsamen Abendessen, an denen Schäffer selbstverständlich teilnimmt.
„Die Möglichkeiten, einen Arbeits- oder Ausbildungsplatz behinderungsgerecht auszustatten, sind so vielfältig wie die Behinderungen selbst“, sagt Kristin Schwarz, Verbandsdirektorin des KVJS. Häufig führt der Technische Beratungsdienst des Inklusions- und Integrationsamtes Arbeitsplatzbegehungen mit Beratungen in Betrieben durch, um Beschäftigungssituationen zu verbessern und dadurch Arbeitsverhältnisse zu sichern. Die Beschaffung erfolgt durch den Arbeitgeber selbst, der – wird der Antrag bewilligt – einen Zuschuss des Inklusions- und Integrationsamtes bis zur vollen Höhe der entstehenden behinderungsbedingten Kosten erhalten kann.
Hintergrund
Inklusions- und Integrationsämter bieten deutschlandweit Leistungen zur Sicherung und Förderung der Beschäftigung von Menschen mit Behinderung. Das Inklusions- und Integrationsamt in Baden-Württemberg ist beim KVJS angesiedelt. Standorte sind Stuttgart, Karlsruhe und Freiburg. Es berät Arbeitgeber und Arbeitnehmer dabei, individuelle Lösungen zu finden, die Teilhabe am Arbeitsleben ermöglichen. „Die Beschäftigung von Menschen mit Behinderung ist eine Win-Win-Situation für alle Beteiligten“, sagt Kristin Schwarz. Denn: „Menschen mit Behinderungen sind häufig überdurchschnittlich qualifiziert“. Trotzdem seien sie wesentlich öfter von Arbeitslosigkeit betroffen. Sie rät Unternehmen, sich an die Experten des Inklusions- und Integrationsamtes oder die der Integrationsfachdienste zu wenden, wo auch die Einheitlichen Ansprechstellen für Arbeitgeber (EAA) angesiedelt sind. Diese sind seit 2022 bundesweit gesetzlich vorgeschrieben. In Baden-Württemberg gibt es 22 Integrationsfachdienste an 36 Standorten mit 210 Integrationsfachberatern.