Nettoaufwendungen in der Hilfe zur Pflege
Der Nettoaufwand für Leistungen an vollstationärer, teilstationärer und ambulanter Hilfe zur Pflege belief sich im Jahr 2023 auf 502,7 Millionen Euro. Im Jahr 2022 waren es 420,5 Millionen Euro, was einer Zunahme von 19,5 Prozent entspricht.
Auffällig ist der extreme Rückgang von 2021 auf 2022, welcher auf die Auswirkungen der am 01.01.2022 eingeführten Begrenzung des Eigenanteils an den pflegebedingten Aufwendungen nach § 43c SGB XI zurückzuführen ist. Wie der Anstieg im Jahr 2023 bereits andeutet, werden durch weiterhin steigende Kosten in der Pflege, dem Tariftreuegesetz (seit 01.09.2022 in Kraft) und dem Personalbemessungsverfahren (Umsetzung seit 01.07.2023) die Werte in den kommenden Jahren jedoch vermutlich wieder kontinuierlich ansteigen.
Nach einer moderaten Zunahme zwischen 2011 und 2017, war von 2017 bis 2021 ein deutlich stärkerer Anstieg des Gesamtnettoaufwands zu verzeichnen. Nach der deutlichen Abnahme im Jahr 2022, lag der Nettoaufwand pro Bewohner im Jahr 2023 (44,6 Euro) um 10,1 Euro über dem Wert von 2011 (34,5 Euro).
Der Gesamtaufwand für Leistungen an Empfänger von vollstationärer Hilfe zur Pflege setzt sich zusammen aus den Leistungen für die Hilfe zur Pflege, eventuell ergänzend zu gewährenden Leistungen der Grundsicherung und der Hilfe zum Lebensunterhalt. Da es in den letzten Jahren zu Änderungen in der Verbuchung der einzelnen Leistungen kam, wird seit 2016 nur noch der Aufwand für die Hilfe zur Pflege erhoben und dargestellt.
Der Nettoaufwand für die vollstationäre Hilfe zur Pflege in Baden-Württemberg stieg von 2005 bis 2019 kontinuierlich an. Von 2019 auf 2021 erfolgte zusätzlich eine überdurchschnittlich starke Zunahme um 138,7 Millionen Euro (+36 Prozent). Im Folgejahr sank der Nettoaufwand für die vollstationäre Hilfe zur Pflege in Baden-Württemberg um 35 Prozent, auf das Niveau von 2017. Dieser Rückgang ist insbesondere auf den zum 01.01.2022 eingeführten und zum 01.01.2024 angepassten Zuschuss zum pflegebedingten Aufwand zurückzuführen.[1] Für das Jahr 2023 wurde eine Zunahme des Nettoaufwands von rund 18 Prozent verzeichnet. Die Anpassung der Regelung nach § 43c SGB XI wird den Anstieg zukünftig vermutlich nur geringfügig abschwächen.
Die Gründe für den deutlichen Anstieg des Nettoaufwandes zwischen 2019 und 2021 sind vielfältig:
- das Inkrafttreten des Angehörigenentlastungsgesetzes zum 01.01.2020, wodurch ein Großteil der Einnahmen bei der Hilfe zur Pflege entfallen sind
- die Neuzuordnung von Fällen im Rahmen der Schnittstelle Eingliederungshilfe – Pflege, die zu einem Anstieg der Fallzahlen der unter 65-jährigen Leistungsempfänger mit keinen oder nur geringen Rentenansprüchen führte
- die demografische Entwicklung und die dadurch bedingte Zunahme hochaltriger Menschen
- die allgemeinen Kostensteigerungen in der Pflege
- die Umlage der Um- und Neubaumaßnahmen im Rahmen der Landesheimbau-Verordnung auf die Pflegesätze.
Wie sich gezeigt hat, hat der Zuschuss zum pflegebedingten Aufwand nach seiner starken Wirkung im Jahr 2022 an Kraft verloren und kommt somit nicht gegen die stetig steigenden Pflegekosten an. Die Anpassung zum 01.01.2024 wird somit voraussichtlich keine langfristige kostendämpfende Wirkung entfalten.
Der Aufwand für die Hilfe zur Pflege wird in den kommenden Jahren voraussichtlich weiter zunehmen. Dafür sprechen neben den oben beschriebenen Gründen weiterhin:
- Das Tariftreuegesetz, das zum 01.09.2022 in Kraft getreten ist und nach dem Pflegeeinrichtungen verpflichtet werden, das Pflege- und Betreuungspersonal entweder nach regional anwendbarem Tarifvertrag oder in Höhe des regional üblichen Entgeltniveaus zu entlohnen. Dies kann in einzelnen Einrichtungen zu erheblichen Kostensteigerungen führen. Die Auswirkungen auf die Hilfe zur Pflege hängen dabei stark von der Tarifdichte im jeweiligen Stadt- bzw. Landkreis ab. Umso höher die Tarifdichte, desto geringer fallen die zusätzlichen Mehrausgaben aus.
- Das Personalbemessungsverfahren, das ab 01.07.2023 umgesetzt wird, kann für Pflegeheimbewohner weitere finanzielle Belastungen nach sich ziehen.
[1] § 43c des Gesetzes zur Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung (GVWG) führte mit in Krafttreten zum 01.01.2022 eine Begrenzung des Eigenanteils an den pflegebedingten Aufwendungen ein. Zum 01.01.2024 erfolgte eine Anpassung, welche die Leistungszuschläge erhöhte. Demnach erfolgte ein Leistungszuschlag des zu zahlenden Eigenanteils an den pflegebedingten Aufwendungen, gestaffelt nach Verweildauer des Pflegebedürftigen in der Pflegeeinrichtung. Bis einschließlich 12 Monate Verweildauer erfolgt ein Leistungszuschlag von 15 Prozent, bei mehr als 12 Monaten ein Zuschlag von 30 Prozent, ein Zuschlag von 50 Prozent bei einer Verweildauer von mehr als 24 Monaten und ein Zuschlag von 75 Prozent bei einer Verweildauer von mehr als 36 Monaten.
Durchschnittlich wurden im Jahr 2023 in Baden-Württemberg 35,5 Euro pro Einwohner für die Hilfe zur Pflege ausgegeben. Im Vergleich zum Vorjahr stieg der Aufwand pro Einwohner um 4,9 Euro an. Zwischen den Jahren 2021 und 2022 wurde ein Rückgang verzeichnet.
In den Stadtkreisen liegt der durchschnittliche Nettoaufwand mit 47,1 Euro pro Einwohner deutlich höher als in den Landkreisen mit 32,9 Euro pro Einwohner. Den höchsten Aufwand pro Einwohner verzeichneten dabei die Städte Baden-Baden und Freiburg mit 63,5 und 56,1 Euro, gefolgt von der Stadt Pforzheim mit 55,5 Euro und der Stadt Mannheim mit 52,6 Euro.
Der durchschnittliche Wert für die Landkreise reicht von 20,0 Euro pro Einwohner im Alb-Donau Kreis bis zu 45,8 Euro pro Einwohner im Landkreis Emmendingen.
Die durchschnittlichen Fallkosten werden bestimmt, indem der Jahres-Nettoaufwand zur Gesamtzahl der Leistungsempfänger am Stichtag 31.12. in Beziehung gesetzt wird. Es handelt sich hierbei nicht um „echte“ Fallkosten. Mit der errechneten Kennziffer können aber Unterschiede in den Fallkosten aufgezeigt werden.
Die durchschnittlichen Fallkosten betrugen im Jahr 2023 13.568 Euro pro Leistungsempfänger. In den Stadtkreisen überstiegen die Kosten mit 14.007 Euro pro Leistungsempfänger die durchschnittlichen Kosten in den Landkreisen mit 13.430 Euro.
Im Hinblick auf die durchschnittlichen Fallkosten zeigt sich innerhalb der Stadt- und Landkreise in Baden-Württemberg eine große Varianz. Die geringsten durchschnittlichen Fallkosten mit 10.443 Euro wies der Landkreis Biberach auf, gefolgt vom Landkreis Ludwigsburg mit 11.342 Euro pro Leistungsempfänger und der Stadt Karlsruhe mit 11.441 Euro pro Leistungsempfänger.
Die höchsten durchschnittlichen Fallkosten wiesen der Landkreis Baden-Baden mit 17.663 Euro pro Leistungsempfänger, der Landkreis Göppingen mit 15.695 Euro pro Leistungsempfänger und der Stadt Stuttgart Breisgau-Hochschwarzwald mit 15.636 Euro pro Leistungsempfänger auf.
Von 2022 auf 2023 war ein starker Anstieg des Nettoaufwands für ambulante und teilstationäre Leistungen in der Hilfe zur Pflege zu verzeichnen. Im Jahr 2023 betrug der Nettoaufwand für ambulante und teilstationäre Leistungen in der Hilfe zur Pflege 101,9 Millionen Euro, was einen Anstieg von 27,7 Prozent gegenüber dem Vorjahr darstellt. Der Nettoaufwand pro Einwohner hat von 5,7 Euro im Jahr 2011 auf 9,0 Euro pro Einwohner im Jahr 2023 zugenommen.
Die deutlich gestiegenen Kosten setzen sich aus mehreren Faktoren zusammen:
- Es existiert eine allgemeine Fallsteigerungen durch nicht-pflegeversicherte Ukraine-Flüchtlinge, die vermehrt ambulante Pflegedienstleistungen in Anspruch nehmen. Zum Jahresende 2022 haben viele geflüchtete Ukrainerinnen und Ukrainer ihre älteren Verwandten nach Deutschland geholt. Ein erheblicher Anteil dieser Personen hat einen ambulanten pflegerischen Bedarf. Aufgrund der fehlenden Vorversicherungszeiten konnten diese Personen einen Anspruch auf ambulante Hilfe zur Pflege geltend machen. Mittlerweile haben viele dieser Personen die Vorversicherungszeiten erfüllt und die Kostenübernahme erfolgt regulär über die Pflegekassen. Daher wird dieser Faktor in den nächsten Jahren voraussichtlich eine geringere Rolle spielen.
- Die Schließung von Pflegeheimen kann eine Verlagerung der stationären Pflegedienstleistungen hin zu ambulanten Leistungsformen bedingen. Um der geringeren Anzahl an Heimplätzen entgegenzuwirken, wurden teilweise ambulant betreute Wohngemeinschaften eingerichtet, in denen höhere Aufwendungen als im normalen ambulanten Bereich entstehen.
- Es fand eine erhöhte Inanspruchnahme „sonstiger“ ambulanter Aufwendungen statt, wie zum Beispiel der Einsatz des Entlastungsbetrags oder Beratungen.
- Es waren teilweise hohe Abschlüsse der neuen Vergütungsvereinbarungen mit den Pflegediensten zu verzeichnen, wie zum Beispiel die Weitergabe von gestiegenen Sachkosten im Bereich „Energie“.
- Es herrscht eine stetige Steigerung der Vergütungen für die Pflegedienste.